Jahrelang haben amerikanische wie europäische Eliten (oft zu Recht) Spott über Donald Trump gegossen. Aber angesichts des EU-Impfdesasters muss man zugeben, dass die Administration Trump zumindest DAS besser vorbereitet hat. Und auch wenn derzeit bei uns alle angefressen sind: Beim Impftempo liegt Österreich in der EU gut, besser als Deutschland. Wobei sich der Wind schnell drehen kann: Während wir heute über Impfstoffmangel stöhnen, maulen wir vielleicht schon im Herbst über den Überschuss: Mit 31 Millionen Dosen wurde ja mehr als benötigt geordert. (Dass übrigens Spitzenpolitiker noch immer nicht geimpft sind, kommt zwar bei der Neidgenossenschaft gut an, ist aber populistischer Unsinn. Der Bundespräsident war am Freitag erstmals dran.)
Speziell unter Journalisten, die für deutsche Medien arbeiten, gilt es als fesch, Österreich als Trottelland hinzustellen. Bei aller, auch berechtigter Kritik vergisst man gern, was gut läuft: zum Beispiel die hierzulande besonders großzügigen Modelle für Kurzarbeit und Umsatzersatz. Dass das selbst der Internationale Währungsfonds übersah, war eine peinliche Panne: Österreich ist bei den Covid-Hilfen auf Platz zwei in der EU (und nicht, wie zunächst vermeldet, auf Rang 15).
Corona hat das Mega-Thema Migration verdrängt, bei dem es ebenfalls von apodiktischen Meinungen nur so wimmelt. Etwa dass es keinen „Pull-Effekt“ gibt, wenn Länder bessere Bedingungen für Zuwanderer bieten. Ein Blick an die US-Grenze zu Mexiko beweist das Gegenteil. Am Beginn der Amtszeit von Biden wollte man mit der restriktiven Trump-Politik aufräumen, sieht sich nun aber dem Druck einer Masseneinwanderung ausgesetzt.
Sozialdemokraten sind weniger „hartherzig“ als konservative Politiker? Stimmt auch nicht, wie ein Blick ins links regierte Dänemark zeigt: Dort soll (notfalls mit harten Maßnahmen) in keinem Bezirk der Anteil von Bewohnern mit „nicht-westlichem Hintergrund“ über 30 Prozent steigen, um Parallelgesellschaften zu verhindern. Man stelle sich vor, Integrationsministerin Raab würde das fordern! Die Liste ließe sich fortsetzen: Veröffentlichungen zum Ibiza-Video, die manches ausließen, weil es das erwünschte Bild „getrübt“ hätte, dass die FPÖ durch und durch korrupt ist. Oder das große Geschrei zum politischen Einfluss bei der Staatsbeteiligungsgesellschaft. Als Wolfgang Schüssel die ÖIAG entpolitisieren wollte, erzeugte das am Ende einen hoch bezahlten Manager-„Freundesklüngel“.
Journalismus bedeutet, Themen auch andersrum zu betrachten – nicht immer macht man sich damit beliebt.
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