Sollen wir den Wolf wieder bejagen?
Die Wolf-Frage entwickelt sich zum "Problembär". Die Zahl der Wölfe steigt und gleichzeitig steigt auch die Zahl der gerissenen Schafe. Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig fordert eine Überarbeitung der EU-Regelung zu den Wölfen. Die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH) biete zwar die Möglichkeit, sogenannte Problemwölfe "zu entnehmen", aber in der "Vollziehung dieser Ausnahmebestände" gebe es Probleme und der Nachweis, ob ein Wolf ein "Problemwolf" ist oder nicht ist "extrem schwierig." Soll man den Wolf bejagen oder nicht?
PRO
Die Debatte um den Wolf wird hierzulande ideologisch geführt. Und vor allem aus der Sicht der Stadt. Und so konstruieren urbane Wolfs-Flüsterer ein idyllisches Leben auf der Alm, das an Disney-Filme erinnert. Da trottet nun also Meister Isegrimm völlig relaxed entlang meterhoher Schutzzäune (Modell „Naher Osten“) durch das Unterholz der heimischen Almen und verzehrt ab und an krankes Getier.
Ansonsten führt er juristische Dispute mit den Hirtenhunden, welche ihn höflich darauf hinweisen, dass ihm der Verzehr von Schafen untersagt ist. Eine regulierte, von den Steuerzahlern finanzierte heile Natur also, wie sich das die Wolfs-Versteher in der wohligen Wärme urbaner Behaglichkeit halt so vorstellen. Zur Wirklichkeit. Vergessen wird bei der Diskussion um den Wolf vor allem ein Aspekt: Der Wolf ist in Österreich künstlich wieder angesiedelt worden. Künstlich deshalb, weil er strengen Schutzstatus genießt. Die Folgen: Allein heuer sind bereits über 600 Schafe gerissen worden. Weitere 600 sind verschwunden. Das bedroht die Existenz von Hunderten Alm-Landwirten.
Viele müssen aufgeben. Die Almen werden zuwachsen. Wollen wir das? Wenn nicht, gibt es nur eine Antwort: Die Wölfe dürfen gejagt werden. Warum auch nicht. Aber – und dieses Zugeständnis sei erlaubt – nicht in den Regionen rund um die urbanen Zentren im Osten Österreichs. Dann wird sich der Wolf, weil er ja sehr intelligent ist, im Wienerwald oder nördlich von Graz umtreiben. Mal sehen, was die Wolfs-Flüsterer dann sagen.
Wolfgang Unterhuber ist Wirtschaftschef
CONTRA
Heutzutage kann man ja gegen alles sein. Aber die Inbrunst, mit der Wolfsgegner das Revier der Tatsachen verlassen, ist bemerkenswert. Da ist die Rede von der blutrünstigen Bestie, die nicht nur Weidetier und Mensch bedroht, sondern gleich die gesamte „Kulturlandschaft Alm“. Gegen den Ruf der Vernichtung scheinen keine Argumente zu helfen. Etwa, dass nur ein Bruchteil der Schafe durch Wolfrisse ums Leben kommt.
Die meisten sterben durch Abstürze und Unwetter. Verluste, für die die Bauern übrigens entschädigt werden. Oder, dass Zäune und Hirtenhunde Risse vielfach vermeiden würden. Das zeigt ein Blick nach Graubünden, wo trotz 5,5-fach höherem Wolfsvorkommen weniger Nutztiere gerissen werden als in Tirol. Maßnahmen, die natürlich Geld kosten und bei denen die Politik Bauern nicht im Stich lassen darf. Bilder von zerfetzten Schafkadavern dienen einer Debatte, die nur noch emotional geführt wird. Dass ihr Leben zumeist ohnehin auf der Schlachtbank geendet hätte, bleibt unerwähnt.
Um den Warnungen mehr Gewicht zu verleihen, wird sogleich auf die Gefahr für im Wald spielende Kinder verwiesen – wobei der Wolf Menschen von Natur aus meidet. Die einzige Lösung für Wolfsgegner ist also die Büchse. Da Österreich von Rudeln umgeben ist, darf auch hier die Sinnhaftigkeit angezweifelt werden. Dem zugrunde liegt der Gedanke, dass die Landschaft nur für den Menschen da ist. Wohin uns diese arrogante Haltung geführt hat, ist bekannt. Den Preis, den wir dafür zahlen, heißt intakte Umwelt.
Valerie Krb ist Teil der Sonntagsredaktion
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