PRO
Hirnschäden bei kiffenden Teenagern. Plötzliche Psychosen. Sucht. Kontrollverlust. Abwärtsspirale ins harte Drogenmilieu: Cannabis wurde in den vergangenen 100 Jahren höchst erfolgreich zum gesundheitsschädigenden Schreckensgespenst stilisiert.
Aber wussten Sie, dass Marihuana Anfang des 20. Jahrhunderts in den USA gar nicht wegen gesundheitlicher Bedenken verboten wurde? Vielmehr gierte die Politik – das belegen wissenschaftliche Analysen – nach einem Einschüchterungsinstrument gegen politisch Andersdenkende und Minderheiten. In erster Linie Afroamerikaner und Einwanderer aus Lateinamerika. International folgte man dem Beispiel der Weltmacht.
Wer heute kifft, macht sich in den allermeisten Ländern strafbar. Seit entsprechende Gesetze eingeführt wurden, hat man es verabsäumt, ernsthaft über deren Sinn und Unsinn zu debattieren. Die Zeiten ändern sich. Und mit ihnen gesellschaftliche Übereinkünfte darüber, welche Genussmittel gerade noch vertretbaren Schaden anrichten.
Ganz zu schweigen von der Wissenschaft, deren Natur es ist, sich permanent zu überholen. Cannabis ist erwiesenermaßen kein krasserer Wegbereiter für andere Suchtmittel als Alkohol oder Zigaretten. Zu gröberen Problemen führt es bei 5 bis 10 Prozent der Konsumenten – das ist bei Alkohol auch so. Bloß sind Bier und Nikotin eben legal. Im Unterschied zu Ersteren wird Cannabis inzwischen in der Medizin eingesetzt. Wie die Politik diesen Widerspruch in Zukunft noch rechtfertigen will, bleibt fraglich.
Marlene Patsalidis ist Redakteurin in der Gesundheitsredaktion
CONTRA
Man kann sich in einem liberalen Gesellschaftsgefüge gewissen Tatsachen nicht verweigern: Gekifft wird so oder so. Und die Verfolgung dieser Art von Suchtmittelkonsum ist auf der Prioritätenliste der Polizei (zu-)recht weit unten. Daraus sollte man nicht gleich den Schluss ziehen, die Droge zu legalisieren. Suchtexperten stehen bei der Frage auf der Bremse. Ja, man sollte den Konsum nicht strafen. Wird das Produkt Cannabis aber gänzlich legal, steigt automatisch die Zahl jener, die potenziell zugreifen. Damit wächst auch unweigerlich jener Personenkreis, der ein problematisches Verhalten an den Tag legt. Marihuana macht selten Probleme, jene, die Auftreten können, sind jedoch ernst zunehmen: Psychosen sind ein doch recht gravierender Risikofaktor.
Um endgültig wie ein Spießer zu argumentieren: Auch Alkohol kann schwere gesundheitliche Folgen haben. Das Suchtverhalten ist hier gesellschaftlich weiter verbreitet, weil Alkohol eben legal ist. Klar ist Cannabis harmloser. Aber haben wir nicht schon genug Probleme mit dieser gesellschaftlich akzeptierten Freizeitdroge? Es wäre doch sinnvoll, statt einer weiteren Liberalisierung bestehende Probleme zu regulieren und etwa eine höhere Besteuerung einzuführen.
Was das Thema „Einstiegsdroge“ angeht, sind wir in der Debatte einen Schritt weiter: Auch Alkohol und Nikotin gelten als solche. Eine weitere völlig zu legalisieren, mag opportun sein. Sinnvoll erscheint es mir nicht.
Philipp Wilhelmer ist Redakteur in der Kulturredaktion.
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