Pro
Kein Volksschulkind hat bisher ein normales Schuljahr erlebt: Wer 2019 eingeschult wurde, kommt jetzt in die 4. Klasse. Unterricht via Internet war seit März 2020 angesagt, und dieser funktionierte gerade bei
den Jüngeren mehr recht als schlecht. Und was noch weitaus schlimmer wiegt: Der direkte Kontakt zur Lehrerin und zu den Mitschülern hat den meisten gefehlt.
Das ist besonders fatal – denn eine wesentliche Aufgabe der Schule ist, das soziale Miteinander einzuüben. Dies ist ebenso wichtig wie Lesen, Schreiben und Rechnen zu lernen. Sicher waren die Schulen zwischendurch geöffnet. Normal war da aber nichts: Singen, ein spontanes Spiel in der Pause oder Sport in der Turnhalle – alles gestrichen. Denn die Devise lautete: Abstand halten,
Maske tragen und regelmäßig in der Nasebohren. Höchste Zeit, dass wieder Normalität einkehrt, auch wenn die Pandemie noch nicht vorbei ist. Denn solange Menschen ohne Maske und negativen Test Bahn fahren, einkaufen oder auf ein Festival mit Tausenden Fans gehen können, ist es nicht einzusehen, dass ausgerechnet die Kinder sich an alle Regeln halten sollen, zumal sie ja das geringste Risiko haben, schwer an Covid zu erkranken. Lehrpersonen und Eltern, die wollen, können sich bzw. ihre Kinder ja auch weiterhin testen und Masken tragen.
Alle andere Kinder lasst aber bitte in Ruhe und sie jetzt endlich Kinder sein. Die Viertklassler haben so die Chance, wenigstens ein „normales“ Volksschuljahr zu erleben.
Ute Brühl ist Redakteurin im Ressort Lebensart
Contra
Aus Fehlern wird man klug, das besagt zumindest ein Sprichwort. Das gilt aber nicht für jene , deren Aufgabe es ist, den Rahmen und die Regeln für einen funktionierenden Schulbetrieb im dritten Pandemiejahr vorzugeben. Der dritte Gesundheitsminister und der zweite Bildungsminister der türkis-grünen Koalition setzen auf die Eigenverantwortung von Lehrkräften, Schülerinnen und Schülern sowie deren Eltern, anstatt sich der eigenen zu entsinnen.
(Regierungs-)Verantwortung den Jüngsten gegenüber nämlich, die Anrecht auf ein halbwegs normales Wintersemester haben – in einer Zeit, da andernorts schon von Mindestraumtemperaturen und Energiesparferien die Rede ist. Ständig wiederholend, dass die Pandemie nicht vorbei ist, verzichtet die Politik dennoch auf flächendeckende Tests zu Schulbeginn. Freilich auch deshalb, weil sie eine fristgerechte Ausschreibung der Tests nach drei Corona-Jahren (!) nicht zuwege bringt.
Gleichzeitig erlaubt die Regierung coronainfizierten, symptomlosen Lehrkräften, mit FFP2-Maske zu unterrichten. Es zeugt vom Verantwortungsbewusstsein der Ländervertreter, dass sie von der Möglichkeit, die der Bund macht, nicht Gebrauch machen werden. Weil sie den viel zitierten „Hausverstand“ nicht nur haben, sondern im Gegensatz zu den Ressortverantwortlichen in der Regierung auch einschalten und wissen, dass nur ein Mindestmaß an Maßnahmen die Pandemie täglich erträglich macht.
Johanna Hager ist stv. Innenpolitik-Leiterin
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