PRO
Es reicht einem noch immer beträchtlichen Teil der (impfbaren) Bevölkerung nicht, dass dank Impfung wieder ein halbwegs normaler Alltag möglich ist. Inklusive reisen, Kontakte pflegen. Die könnte man schließlich auch als Belohnung sehen. Eine Belohnung, sich lange zusammengerissen zu haben.
Nun gut. Psychologen wissen: Menschliche Entscheidungen basieren auf irrationalen Denkprozessen. Umso wichtiger, Menschen emotional zu erreichen. Aus der Hirnforschung ist bekannt: Das Gehirn giert geradezu nach Belohnung. Ein eigenes System (1954 in den USA zufällig entdeckt) ist dafür zuständig. Heute weiß man: Ein Schaltkreis mit dem Botenstoff Dopamin als wichtigem Mitspieler reguliert Verlangen, Motivation – und eben die Aussicht auf Belohnung. Die wiederum zum Handeln anregt. Als 1974 der Mutter-Kind-Pass in Österreich eingeführt wurde, wurden bestimmte Beihilfen (z. B. Geburtsbeihilfe) nur ausbezahlt, wenn alle in der Schwangerschaft vorgeschriebenen Untersuchungen absolviert worden waren.
Was die Motivation zur Covid-Schutzimpfung betrifft: Ein Hunderter könnte für junge Menschen, die häufig keine Notwendigkeit sehen, sich impfen zu lassen, zumindest ein kleiner Anreiz sein. Der Spieltrieb des Menschen würde vermutlich auch durch die Verlosung von noch wertvolleren Preisen angeregt.
Und noch ein Argument spricht dafür, Anreize für Belohnungen zu schaffen: Immerhin lassen wir uns auch das Zweit- oder Dritt-Smartphone schenken und greifen bei „2+1 gratis“-Aktionen im Supermarkt gern zu. Obwohl wir gar nicht mehr brauchen würden. Den Schutz vor schweren Covid-Erkrankungen brauchen wir aber – als ganze Gesellschaft. Da sollte man auch unorthodoxe Motivationshilfen in Betracht ziehen.
Ingrid Teufl Die Autorin ist Redakteurin im Ressort Lebensart
CONTRA
Es ist meine feste Überzeugung, dass die Impfung der Schlüssel im Kampf gegen die Corona-Pandemie ist. Nur wenn es gelingt, dass die Impfquote deutlich erhöht wird, schaffen wir den Schritt zurück in die Normalität. Länder wie Dänemark zeigen uns gerade, dass das möglich ist.
Dieses Ziel ist aber noch lange kein Grund, dass plötzlich die Geldtasche aufgemacht wird, um Menschen dazu zu bewegen, sich endlich die entscheidenden Stiche geben zu lassen. Natürlich müssen wir es schaffen, dass wir die Unentschlossenen und letztendlich auch die Gegner überzeugen, dass sie sich für die Impfung entscheiden. Das muss mit guten und überzeugenden Kampagnen gelingen, mit Argumenten – auch wenn ich weiß, wie schwierig und bei manchen Menschen gar unmöglich das ist. Aber sicher nicht damit, dass wir den Menschen 100 bis 150 Euro anbieten, wenn sie sich immunisieren lassen.
Wenn die Impfquote nur noch mit Geldgeschenken erhöht werden kann, dann ist das einerseits Nährboden für die Neidgesellschaft, andererseits sagt es sehr viel über unsere Zusammenleben aus. Solidarität, der Schutz des Gegenübers reichen – abgesehen vom Eigeninteresse – nicht mehr, um mitzumachen. Was ist der nächste Schritt, wenn es jetzt um die dritte Impfung geht? Muss dann das Honorar erhöht werden?
Natürlich ist jede Aktion erfolgreicher, wenn am Ende eine Belohnung wartet. Wenn es um die Corona-Pandemie geht, dann muss aber reichen, dass wir unser altes Leben wieder zurückbekommen, dass wir nicht mehr täglich gebannt auf die Entwicklung der Corona-Zahlen blicken müssen. Wenn das nicht Grund genug ist, um sich die notwendigen, kostenlosen Impfungen zu holen, dann wird man auf lange Sicht auch mit dem Corona-Hunderter scheitern.
Martin Gebhart Leiter des Ressorts Chronik im KURIER.
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