Soll es weiter Hausübungen geben?

PRO
Was kommt als Nächstes? Nachdem die Relevanz der Reifeprüfung infrage gestellt wird, vorwissenschaftliche Arbeiten (VWA), vormals als Fachbereichsarbeiten bekannt, wegen der KI als obsolet angesehen werden, stehen nun also Hausaufgaben zur Disposition.
Als Vorbild dient den Befürwortern für das Aus Polen. Dort sind Hausaufgaben aus dem Alltag von Volksschülern gestrichen und erst wieder in der Oberstufe an der Tagesordnung. Polens Premier Donald Tusk verspricht sich davon eine Modernisierung des Bildungssystems, denn es werde zu viel auswendig gelernt, zu wenig auf Kreativität geachtet.
Seit wann widerspricht das eine dem anderen? Wo und wie sollen die Jüngsten der Gesellschaft das Lernen lernen, wenn nicht in der Schule und zu Hause oder im Hort, jedenfalls selbstständig (im Sinne von selbst und ständig),weil das Erlernte geübt werden will und muss, um gekonnt zu werden.
Weil wir den größten Computer, den wir als Menschen besitzen – das eigene Gehirn nämlich –, trainieren müssen, um ihn im Laufe des Lebens überhaupt annähernd ausreichend nutzen zu können.
Um zu verstehen und zu begreifen, Zusammenhänge zu erkennen und Rückschlüsse zu ziehen.
Um sich eben nicht vor technischem Fortschritt zu fürchten, sondern KI, AI & Co. für sich arbeiten zu lassen.
Und auch, um zu verhindern, dass die Digitalisierung zu einer Verkümmerung oder gar Degeneration des Geistes führt. Selbiges steht nämlich zu befürchten.
Johanna Hager ist Leiterin der Innenpolitik
CONTRA
Dieses Land verschläft, seit Jahrzehnten in ideologischem Kleinklein verfangen, die Zukunft, ja eigentlich schon die Gegenwart. Jahr für Jahr entfernen sich die Lehrpläne und der gelehrte Umgang mit Wissen immer mehr davon, was die Kinder von heute brauchen würden. Die Politik schaut zu, weil es wichtiger ist, in einer Debatte nicht nachzugeben, die in den 1970er angefangen hat und sich seitdem in den Parteizentralen null weiterbewegt hat. Wenn endlich, endlich!, eine Schulreform käme, die dem folgt, was Bildungsexperten seit vielen Jahren sagen, wenn endlich, endlich! genügend Mittel zur Verfügung stünden, wenn die Absurditäten bei den Kompetenzen in der Schulpolitik abgeschafft würden, dann wäre es völlig egal, ob es Hausübungen gibt oder nicht.
Denn dann würden Kinder neben Schreiben, Lesen und Rechnen vor allem Denken, Bewerten, Informationverarbeiten und Kreativsein lernen, das also, was sie in der KI-, Klimawandel- und bipolar neu geordneten Welt von morgen brauchen können.
Lieber lässt man genau jene Kinder Nachmittag für Nachmittag an Hausaufgaben scheitern, die zu Hause keinen ruhigen Lernort, keine Bildungsunterstützung haben. Gerade diese Kinder sollten den ganzen Tag über in der Schule gemeinsam mit den anderen lernen, das würde so manche Integrationsfrage gleich mitlösen.
Klar muss man üben. Unvergleichlich viel sinnvoller als Hausübungen wäre, das gemeinsam in der Schule zu machen. Man müsste halt endlich eine Reform wagen.
Georg Leyrer ist Leiter der Kulturredaktion
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