Politische Erosionserscheinungen

Politische Erosionserscheinungen
Ein müder Hofburg-Wahlkampf biegt in die Zielgerade. Kein Kandidat hat sich als ernsthafte Alternative zu Van der Bellen präsentiert
Martina Salomon

Martina Salomon

In acht Tagen wird einer der lustlosesten und inhaltsleersten Wahlkämpfe der Zweiten Republik beendet und ein neuer, alter Bundespräsident gewählt sein. Keiner der sechs Gegenkandidaten Van der Bellens konnte so „aufgeigen“, dass ein zweiter Wahlgang zu erwarten wäre. Was das über die Verfasstheit der heimischen Politik aussagt? Erstens, dass österreichische Politik vor dem Hintergrund eines mörderischen Angriffskrieges ziemlich unerheblich ist. Zweitens, dass die heimische Parteienlandschaft zwischen Pandemie, Krieg, Teuerung, drohender Energiekrise und innenpolitischen Zänkereien erodiert ist. Drittens, dass Politik eine ernsthafte Profession ist, für die es nicht reicht, ein mehr oder wenig gewitzter Einzelkämpfer zu sein. Und viertens, dass jede Wahl eigene, oft kaum vorhersehbare Gesetzmäßigkeiten entwickelt.

Vor Kurzem noch hätte man zum Beispiel erwarten können, dass die FPÖ von so einem Zwischenwahlkampf profitiert, weil sie Gruppen anspricht, die sich sonst von keiner Partei vertreten fühlen, etwa Impf-, Klimamaßnahmen- und EU-Sanktionen-Gegner. Doch Walter Rosenkranz, der Rechte mit dem verbindlichen Auftreten, blieb blass. Nicht nur, aber auch, weil er mit dem Anwalt und Kolumnisten Tassilo Wallentin einen Gegenkandidaten hatte, der ebenfalls das diffuse Anti-Establishment-Feld beackerte. Aber selbst die Unterstützung von Krone bunt, ein possierlicher Dackel und das Verschenken von Brennholz brachten ihm wenig Rückwind. Theoretisch hätte Wallentin ein Angebot für bürgerliche Wähler sein können, die es nicht über sich bringen, Van der Bellen zu wählen. Und genau das wäre im linken Spektrum Dominik Wlazny alias Marco Pogo gewesen: Er hätte von den Grünen frustrierte Wähler „abholen“ können. Doch der sonst recht authentisch wirkende Arzt und Rockmusiker erschien im Wahlkampf fast schmähstad.

War da noch wer? Ja, Oe24-„Rabiatperle“ Gerald Grosz, der Waldviertler Wirrkopf Heini Staudinger und die Single-Issue-Partei MFG, die zu Recht schon beinahe Geschichte ist. So hatte Amtsinhaber Van der Bellen leichtes Spiel, obwohl seine Kampagne diesmal auch eher müde wirkte. Sollte der Präsident trotz Amtsbonus deutlich unter 60 Prozent Zustimmung bleiben, wird das seine Autorität nicht stärken. Heinz Fischer kam bei der Wiederwahl auf 79,33 Prozent. Die Beteiligung war damals niedrig, wird es auch heuer sein.

Nach dieser Wahl müssen sich fast alle Parteien fragen, ob ihr Inhalts- und Persönlichkeiten-Defizit nicht mittlerweile dramatisch ist. Abgesehen davon sollte für die Wiederwahl des Präsidenten eine Zweidrittelmehrheit in der Bundesversammlung (Nationalrat und Bundesrat) genügen. Jeder Euro für so einen Wahlkampf ist verschwendet.

Martina Salomon

KURIER-Herausgeberin Martina Salomon

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