Gerade in Krisenzeiten ist es unerlässlich, dass gefeiert wird. Es wäre völlig falsch gewesen, den Ball wegen der Krieges in der Ukraine abzusagen – dass Putin davon beeindruckt wäre, ist unwahrscheinlich. Und niemand kann seine Wohnung günstiger heizen, wenn in der Oper nicht getanzt wird. Der Wiener Operndirektor Bogdan Roščić, für den es übrigens als Besucher wie als Organisator der allererste Ball ist, war in Kenntnis der Gegebenheiten sogar erkennbar bemüht, der Veranstaltung eine Charity-Komponente zu verleihen.
Zwischen Kriegsnachrichten, Energiekosten-Auswüchsen, Inflationshämmern und lokalen Polit-Reibereien kann es durchaus guttun, sich einen Abend lang auf die Verführungskünste der Banalitäten, auf die Kraft des Verzichtbaren, auf den Magnetismus des Unnötigen zu konzentrieren. Opernball ist der Zuckerstoß in der Alltags-Diät, in die so viele Menschen durch die multiplen Krisen geraten sind.
Der Autor dieser Zeilen war, obwohl Opernkritiker, noch nie auf dem Opernball und hat auch keine steigende Lust, diese Gewohnheit zu ändern, weil ihm von Gelegenheits-Besuchern glaubhaft versichert wird, dass es größere Vergnügungen (und günstigere) gibt als dieses Gedränge in den Gängen. Als Fernseh-Zuschauer jedoch freut er sich jedes Mal über freche Bonmots der Kommentatoren; über abenteuerlich schöne oder scheußliche Kleider auf der Feststiege; über etwaige Konfektionspannen; manchmal über misslungene Interviews oder gelungenen Aktionismus.
Die Faschingsgilde in der Oper ist im TV tausend Mal lustiger als jede carinthische Karnevalssitzung. Außerdem hat der Staatsball sogar etwas Würdevolles. Er vereint Menschen unterschiedlicher politischer Couleurs im Salon Österreich, jenseits von parlamentarischem Gezeter. Er rehabilitiert stets auf’s Neue den oft peinlichen Baumeister, der ein besseres Gespür für große Persönlichkeiten hat als viele Theatermacher. Und er bringt am Ende der Nacht sogar Geld in die Kassen der Staatsoper. Ein Win-Win-Walzer also, für nach oben und Herabschauende, für Seriöse und für Zyniker. Dann ist es allerdings auch wieder gut, wenn in der Oper Oper gespielt wird.
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