Warum sind wir so miserabel?

Coronavirus - FFP2-Maske
Eine unabhängige Kommission sollte die unbeantworteten Fragen zum heimischen Pandemie-Management klären
Martina Salomon

Martina Salomon

Wir werden noch lange zuschauen müssen, wie sich der parlamentarische Untersuchungsausschuss mit mäßigem Erkenntnisgewinn durch Hunderttausende Chats wühlt. Dabei gäbe es auch noch andere, drängende Fragen zu beantworten. Etwa: Warum hat Österreich die Pandemie mit vergleichsweise verrücktem Aufwand so besonders miserabel gemanagt? Zur Klärung bräuchte es ein wirklich unabhängiges Gremium. Vorbild dafür könnte die britische „Royal Commission“ sein: Eine Expertenkommission untersucht auf begrenzte Zeit ein politisches Problem und erarbeitet Empfehlungen. (Wobei, damit beginnt schon das Problem: Österreich hat wenig Experten, die keinem Interessensfeld und keiner Partei zuordenbar sind.)

Und das gilt es zu beantworten: Wieso landet Österreich regelmäßig an der Weltspitze der Infiziertenzahlen, obwohl es zum Beispiel kaum ein anderes Land gibt, das FFP2-Masken verordnet hat? Wieso hat Österreich häufiger Lockdowns als andere unter Hinweis auf Spitalsüberlastung, wo wir doch bei der Zahl der Intensivbetten und des Spitalspersonals weltweit im Spitzenfeld liegen? Wieso gab und gibt es so viele Cluster im Pflegebereich? Wie hoch ist der Prozentsatz des ungeimpften medizinischen Personals, und spielte das bei Infektionsketten eine Rolle? Ist die Krankenstandshäufigkeit beim Pflegepersonal auch außerhalb von Coronazeiten besonders hoch und wenn ja, warum? War es wirklich nötig, Tausende Behandlungen zu verschieben? Wieso hat man das Impf-Management nicht der Krankenkasse und den niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten übertragen, aber dafür neun verschiedene Ländersysteme akzeptiert? Warum ist es nicht möglich, vorhandene Daten wissenschaftlich zu erheben und zu verknüpfen? Wie viele Coronafälle in den Spitälern sind „Zufallsfunde“? Warum erhebt man nicht flächendeckend den Antikörperstatus der Bevölkerung? Wieso haben wir für Tests – offensichtlich ohne signifikante Wirkung aufs Infektionsgeschehen – mehr als das gesamte Wissenschaftsbudget ausgegeben? Müssen Millionen Impfdosen weggeworfen werden? Woher kommt die grassierende Wissenschaftsfeindlichkeit?

Wie immer ist es ja opportun, alles, was dumm gelaufen ist, der Politik in die Schuhe zu schieben, die es niemandem recht machen konnte: Stets stand sie zwischen jenen, die die Maßnahmen zu hart und jenen, die sie zu lasch fanden. Auch die Experten zankten sich, viele Prognosen waren falsch. Warum?

Aber es geht überhaupt nicht um Schuldzuweisungen, sondern darum, gravierende Systemfehler zu erkennen und für die Zukunft abzustellen. Den Stresstest der Pandemie haben viele Einrichtungen der Republik nicht bestanden. Sind sie den womöglich viel schlimmeren Verwerfungen, die dem brutalen Angriffskrieg in der Ukraine folgen werden, gewachsen? Das gilt es emotionslos herauszufinden.

Martina Salomon

KURIER-Herausgeberin Martina Salomon

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