Ein guter Grund für Olympia
Was einer Stadt von Olympia bleibt, ist die zentrale Frage jeder Bewerbung. In Rio könnte die Antwort lauten: viel!
Es glich einem Staatsakt und hatte dennoch etwas Banales: Zuerst ruckelte es kurz und knackig, dann sauste sie geräuschlos dahin, ehe kräftig applaudiert wurde. Die Rede ist von der U-Bahn-Linie 4, die am Montag ihren Betrieb in Rio de Janeiro aufnahm und das Prestigeprojekt dieser Sommerspiele darstellt.
Noch ist die Linie nur den Athleten und dem übrigen akkreditierten Personal vorbehalten, doch nach dem Sportfest dient sie endlich den Bewohnern der Metropole, die aus allen Nähten zu platzen droht. Rechnet man Vor- und Vorvororte hinzu, stauchen sich fast 13 Millionen Menschen in eine Region, deren kaum zu fassende Schönheit ihr größter Fluch ist. Auf der einen Seite begrenzt der überschäumende Atlantik den Lebensraum, gegenüber engen die üppig begrünten Hügel das Wachstumspotenzial ein.
Bleibt nur im Westen die Region Barra, wo mit olympischem Park und Dorf das Herz dieser Spiele schlägt. Die U-Bahn-Linie 4, die künftig den schicken Vorort der Mittel- und Oberschicht mit Ipanema und Copacabana in etwas mehr als 40 Minuten verbindet, war daher nicht nur logisch, sondern auch längst überfällig. Für Europäer undenkbar bis absurd klingt, dass die Mega-Metropole Rio bislang mit lediglich zwei U-Bahn-Linien auskommen musste. Einen regionalen Zugverkehr hat überhaupt noch niemand auf Schiene gebracht.
Fragwürdig & miserabel
So stauen sich Rios Millionen Tag für Tag in fragwürdigen Bussen und auf miserablen Straßen zur Arbeit (sofern man noch eine hat) oder in die Schule (sofern man noch eine besucht).
Was das alles mit Olympia zu tun hat? Viel. Denn ohne das größte Sportereignis der Welt hätte kein Politiker Rios und kein Konzern Brasiliens einen milliardenschweren U-Bahn-Bau zu verantworten gewagt. Die Erweiterung des öffentlichen Verkehrs wird bereits auf kurze Sicht ein Segen für diese Stadt sein. Ob er alleine den Bau Dutzender Sportstätten und die Umsiedlung Tausender Bürger rechtfertigt, ist eine andere wichtige Frage.
Ortswechsel. Barcelona, Olympia-Destination 1992 und Vorbild für fast alle folgenden Gastgeber-Städte: Beim Spaziergang an einem heißen Juli-Tag durch Vila Olímpica, das Athletendorf von einst, begegnen einem Touristen und Einheimische, auf dem Rad oder zu Fuß. Sie eint ihr Ziel: der nahe Stadtstrand. Vor dem Jahr 1992 hatte Barcelona weder diese leistbare Wohnsiedlung noch einen öffentlichen Zugang zum Mittelmeer. Und erst recht keinen Ruf als moderne, offene Weltstadt.
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