Gerade Polen als historisch und geografisch eng der Ukraine verbundenes Land steht derzeit besonders im Fokus. Nicht zuletzt, weil es den Löwenanteil der Kriegsflüchtlinge aufnimmt: 2,3 Millionen Menschen sind seit Kriegsbeginn ins Nachbarland geflüchtet, wie der polnische Grenzschutz am Sonntag mitteilte.
Österreich hat nun Hilfe angeboten: „Ich habe meinem polnischen Amtskollegen brieflich angeboten, Vertriebene von dort nach Österreich zu holen“, sagte Innenminister Gerhard Karner. Rund 200.000 Ukrainer sind bereits über die österreichische Grenze gekommen, die meisten allerdings nur auf Durchreise; etwa 35.000 wurden hier registriert.
Angesichts des heroischen Verhaltens von Polen verbietet sich jeder hämische Hinweis auf die in fast jeder Hinsicht völlig anders zu bewertende Migrationswelle von 2015 ff. Auch Vertreter der österreichischen Regierung haben das zu Recht mehrfach betont.
Dass Österreich nun Solidarität mit Polen zeigt, ist gut und richtig. Die gegenwärtige Lage könnte aber vielleicht darüber hinaus ein Anlass sein, die österreichische Position gegenüber Polen und anderen osteuropäischen Ländern einer kritischen Revision zu unterziehen. Der moralistische Überlegenheitsgestus, mit dem selbst ernannte EU-Eliten manchen Mitgliedsländern unter Berufung auf diffuse „europäische Werte“ gegenübertreten, ist schon immer verfehlt gewesen, erscheint aber in der jetzigen Situation besonders infam. Anders als es der stets in Anspruch genommenen Funktion des „Brückenbauers“ entspräche, hat Österreich bei diesem Thema nicht mit besonderem Mut geglänzt (Sebastian Kurz hat hier immerhin noch einigermaßen dagegengehalten).
Der schreckliche Krieg hat unversehens den Osten Europas (der insgesamt weniger „östlich“ liegt, als wir glauben) in die Mitte gerückt. Wien wäre gut beraten, sich zum Anwalt dieser Länder zu machen (selbstverständlich, ohne die Augen vor demokratiepolitisch problematischen Tendenzen zu verschließen) und seinen entschlossenen Beitrag dazu zu leisten, dass sich diese nicht zunehmend vom institutionalisierten Europa entfremden.
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