Das Interesse an diesem Fall reicht weit über die Tennisszene hinaus, weil er bezeichnend ist für vieles, was in der Corona-Krise falsch läuft. Sport war immer schon politisch, aber er war nicht so simpel auf einen Aspekt reduziert. Sobald heute die Wörter Impfung oder Restriktion fallen, ziehen sich die Opponenten in ihre Schützengräben zurück und feuern ihre verbalen Waffen ab. Aus jedem (noch so kleinen) Vorfall kann ein Konflikt entstehen. Das Virus ist nur der Anlass dafür, der Brandbeschleuniger. Das tiefe Misstrauen gegenüber dem Anderen, dem Anders-Denkenden, dem Anders-Aussehenden war davor schon da.
Für die einen ist Djokovic ein geradezu nationalistischer Freiheitsheld, der gegen den Impfzwang aufbegehrt – für seinen Vater sogar eine Art Retter, der wie Jesus gekreuzigt werde (was für ein geschmackloser Vergleich). Anderen gilt er als fahrlässiger Agitator. Eine sachliche Debatte ist kaum noch möglich. Und der Freiheitsbegriff wird wieder einmal pervertiert, was man ja auch in Österreich kennt.
Wobei Djokovic selbst mit seiner Geheimhaltetaktik über seine Infektion und seiner Ignoranz gegenüber Coronamaßnahmen die Erregung befeuert. Wo bleibt die Vorbildfunktion eines Mannes, der Millionen verdient und ebensoviele Fans hat? Glaubt er wirklich, sich über alle Regeln hinwegsetzen zu können? Das würde an Orwells „Animal Farm“ erinnern: „Alle Tiere sind gleich, aber manche sind gleicher“.
Aber nicht nur das Impfen wird anhand von Djokovic öffentlich verhandelt, sondern auch die australische Einwanderungspolitik. Und die größer werdende Kluft zwischen Reich und Arm sowie die Frage, für wen Gesetze eigentlich gelten.
Und was lernt der geneigte Tennisfan und Polit-Beobachter daraus? Rebellion, wie früher einmal bei John McEnroe oder heute bei Djokovic, mag gut auf dem Platz sein, aber nicht in der Pandemie. Weniger Hysterie ist immer gut. Und jedes Netz ist groß genug, dass man sich darin verfangen kann. Lauter hochexplosive Minenfelder, selbst bei vordergründig unpolitischen Themen. Und kaum Entschärfer.
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