In Brüssel gab es dieser Tage immerhin Gesetzesvorschläge, um Europa langfristig unabhängiger zu machen. Doch der kleine Wohlstandskontinent verliert wirtschaftlich und politisch an Bedeutung, kreist zu sehr um sich, schafft in so existenziellen Bereichen wie der ungeregelten Migration keine entschlossene Lösung. Dafür beschäftigt man sich manchmal mit Luxusproblemen. Zum Beispiel, wenn Menschen so wie in Frankreich auf die Straße gehen, damit das Pensionsantrittsalter bei 62 Jahren bleibt. Oder wenn man bei Arbeitskräftemangel über Arbeitszeitverkürzung nachdenkt. Nirgendwo auf der Welt beschreiben sich außerdem Junge als „letzte Generation“, obwohl kein anderer Kontinent so viele durchaus radikale Umweltgesetze schafft: etwa das De-facto-Aus für Verbrennermotoren oder den Zwang zur Haussanierung bis 2033, ein Eingriff ins Privateigentum, wie – ebenfalls diese Woche – im EU-Parlament beschlossen.
Europas Vorteile sind seine demokratische Verfassung, Bildung, das gute Gesundheits- und Sozialwesen, Frieden. Aber möglicherweise erleben wir gerade die Erosion all dieser Errungenschaften, wozu auch das Verschwinden eines Konsenses über ideologische Grenzen hinweg zählt.
Gibt es auch gute Nachrichten? Ja, Gott sei Dank. Die USA waren nach der Kollision über dem Schwarzmeer um Deeskalation bemüht. Die Banken sind besser aufgestellt als 2008. Iran und Saudi-Arabien haben nach Jahren der Feindschaft wieder diplomatische Beziehungen aufgenommen. Die Politik im Nahen Osten wird neu geordnet, der Westen war dabei aber abgemeldet – das ist die schlechte Nachricht in der guten. China wird zum großen Vermittler. Moralische Ansprüche stellt das „Reich der Mitte“ nicht. Es geht um Interessen. Die Schwelle zu einer neuen Weltordnung wurde überschritten. Es ist großartig in Europa leben zu dürfen. Aber es bedarf mehr als ambitionierter Klimapolitik, damit das so bleibt.
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