Nehmt den Politikern das Mobiltelefon weg

Die Affäre Dönmez zeigt: Tempo und Reichweite von sozialen Netzwerken werden sträflich unterschätzt.
Christian Böhmer

Christian Böhmer

Man möchte Efgani Dönmez einfach nur zurufen: „Bitte lassen Sie es doch, Herr Abgeordneter! Das wird nichts mehr!“ Am Dienstag versuchte der Nationalratsmandatar – wieder einmal – zu erklären, dass die sexistische Twitter-Nachricht, die ihn seine Mitgliedschaft im ÖVP-Parlamentsklub gekostet hat, vielleicht ein bisserl „unpassend“ und vielleicht „missverständlich“, aber dezidiert nicht sexuell gemeint war.

Abgesehen davon, dass Dönmez’ aussichtslosen Rechtfertigungsversuche die Intelligenz seines Publikums beleidigen, richten sie die Aufmerksamkeit auf ein vergleichsweise junges Phänomen der heimischen Innenpolitik: In der jüngeren Zeitgeschichte sind fast alle nennenswerten Ausschlüsse und Rücktritte von Parlamentariern darauf zurückzuführen, dass sich die Politiker sexistisch, homophob, antisemitisch oder rassistisch geäußert haben – und zwar allesamt im Netz.

Die Erklärung dafür ist dieselbe wie bei vielen Hass-Postern: Die Hemmschwelle für untergriffige Wortspenden liegt so tief wie nie zuvor, weil das Mobiltelefon immer dabei ist. Und offenbar ist auch unter Spitzenpolitikern immer noch zu wenig präsent, dass eine bösartige Nachricht auf Twitter oder Facebook zumindest denselben Effekt und die selbe Reichweite hat, wie wenn man am Hauptplatz vor Publikum in ein Mikrofon rotzt. Eine mögliche Lösung wäre, dass sich Politiker von Zeit zu Zeit ein Twitter-, Facebook- oder überhaupt Handy-Verbot gönnen. Den Betroffenen täte das im Einzelfall sicher gut – innehalten und kurz Nachdenken hilft fast immer. Und der Qualität des politischen Diskurses wäre es kaum abträglich – es sei denn, man will ernsthaft länger darüber diskutieren, wie Herr Dönmez das jetzt alles genau gemeint hat.

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