Nachruf auf die "österreichische Lösung"

Schluss mit lustig: Warum "Uhu-Gate" traurig stimmt.
Martina Salomon

Martina Salomon

Übertriebene Paragrafenreiterei kann sich letztlich auch als Unrecht entpuppen.

von Dr. Martina Salomon

über das Ende des österreichischen Weges.

Eigentlich war es der österreichische Weg, mit dem das Land nie schlecht fuhr: Dass die Bürokratie manchmal auch unbürokratisch reagierte. Was, der Kleber der Wahlkarten-Lasche löst sich? Na, dann nehmen S’ halt an Uhu-Stick, aber verraten S’ mi net.

Gegen den Beamten, der diesen völlig logischen Tipp gab, wird nun ermittelt. Das fühlt sich falsch an, auch wenn es nach dem Buchstaben des Gesetzes richtig ist – genauso wie die zweimalige Wahlwiederholung. Nach der ersten Anfechtung muss der zweite (eigentlich schon dritte) Wahlgang makellos sein. Tatsächlich ist das für den gelernten Österreicher ungewohntes Terrain.

Zumindest im Osten des Landes kalkulierte man nicht nur eine gewisse Schlamperei, sondern auch stilles Einverständnis mit ein. So nach dem Motto: Wir machen aus einer Mücke keinen Elefanten und werden " kan Richter brauchen". Eine Flexibilität, um die uns zum Beispiel Deutsche oft beneiden, weil es Arbeitsprozesse beschleunigt und das Zusammenleben unkomplizierter gestaltet. Diese kleinen Ungenauigkeiten haben uns ein bisschen schneller, wendiger und sympathischer gemacht.

Haben Sie zum Beispiel schon einmal versucht, in den USA mit einem Behörden-Vertreter zu diskutieren? "It’s the law", wird er Ihnen – ohne eine Miene zu verziehen – ins Gesicht schmettern. Da geht nichts, auch wenn das Beharren auf irgendein Gesetz noch so unsinnig ist.

In Österreich hingegen konnte man bis vor Kurzem mit einer gewissen Lockerheit rechnen – und vielleicht ließen sich ja auch nur so die großen Steuerlasten und überzogenen Regulierungen ertragen. Weil eben nicht alles so heiß gegessen wie gekocht wurde.

Kontrollschrauben

Mit diesem Entgegenkommen der Behörden ist aber schon länger Schluss, was auch mit den Budgetnöten des Staates zu tun hat. Um die Steuerreform finanzieren zu können, zog man die Kontrollschrauben vor allem bei Unternehmen strenger an. Das Amt ist nicht mehr Partner, sondern eher Gegner, der sich manchmal an unwesentlichen Details festkrallt, was zum Beispiel die Errichtung eines Lokals in der Stadt fast unmöglich macht. Da wird dann die korrekte Anbringung des Treppen-Handlaufs zu den Toiletten zum unüberwindlichen Stolperstein. Oder das völlig geräuschlose Aggregat für die Kühlanlage im Innenhof, bei dem die Behörde Beschwerden wegen des Lärms befürchtet. Daneben erzeugt eine alte Kühlanlage Krawall? Egal, das ist ja eine "bestehende Anlage". Beamtshandelt werden muss nur die neue. It’s the law.

In Zeiten völliger Transparenz ist der berühmte österreichische Weg ohnehin fast unmöglich geworden: Digital ist mittlerweile fast alles nachvollziehbar, damit kann auch der winzigste Regelverstoß nicht mehr als Kavaliersdelikt großzügig übersehen werden. Das ist einerseits natürlich gut, weil es Korruption und Freunderlwirtschaft zumindest theoretisch unterbindet.

Andererseits ist es verheerend, weil man Fehler in Arbeitsprozessen oft besser mit Hausverstand und wirtschaftlichem Denken löst, als mit allzu sturer Befolgung von Gesetzen. Übertriebene Paragrafenreiterei kann sich letztlich nämlich auch als Unrecht entpuppen.

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