Es gehe um unterschiedliche Blicke, auch positive, auf den Zustand der Welt, versicherte der Kurator treuherzig. Doch rückblickend gesehen ist eher der chinesische Fluch wahr geworden. Eine multiple Krise hält uns seither in Atem: Pandemie, Teuerung, die hässliche Fratze des Krieges. Und nun ein brandgefährlicher Besuch der US-Politikerin Nancy Pelosi in Taiwan, vom autoritär regierten China als schwere Provokation empfunden. Eskaliert der Konflikt weiter und versucht China die Insel zu erobern, dann wird uns nach dem Gas die nächste Abhängigkeit schmerzhaft auffallen: Westliche Staaten sind auf Halbleiter aus Taiwan angewiesen. Sie sind Bauteil für Chips, die für fast alles – vom Smartphone, über die Waschmaschine bis zum Auto – gebraucht werden.
Noch ist außerdem nicht klar, ob der Druck, rasch aus russischem Gas auszusteigen, gut oder schlecht für das (europäische) Klima ist: Einerseits wird es den Ausbau alternativer Energiegewinnung beschleunigen, aber die Energiekosten explodieren lassen. Andererseits werden umweltschädliche Energiequellen befeuert: Kohle, Atomkraft (wenigstens CO2-frei), Holzverbrennung aus privaten Rauchfängen (übrigens ein besonders schlimmer Russ- und CO2-Emittent), Öl arabischer Diktatoren, US-Frackinggas.
Kann man nur noch schwarz sehen? Nein, halten wir es lieber mit Churchill: „Niemals eine gute Krise verschwenden!“ Die Pandemie hat der Digitalisierung einen Schub verliehen. Der Krieg führt zu ernsthafterer Verteidigungspolitik in Europa. Lieferkettenprobleme und Gasengpässe lösen Rückbesinnung auf eigene industrielle Stärken aus. Wir werden außerdem lernen müssen, mit Ressourcen sparsamer umzugehen – aber bitte, ohne ins 19. Jahrhundert zurückzufallen: Denn das (Lasten-)Fahrrad kann das Auto nicht ersetzen, die (ausgezeichnete!) regionale Landwirtschaft nicht alle ernähren. Kürzer duschen und Straßenlampen früher abschalten ist lieb gemeint, aber eher Placebo-Politik.
In dieser fragilen Situation sind „wetterfeste“ Politiker gefragt. Zu einer Regierung, deren „Koste es, was es wolle“-Politik schön langsam Schwindelgefühle erzeugt, sollte der Opposition Kreativeres einfallen, als lediglich „mehr, mehr, mehr“ zu rufen.
Nicht zuletzt liegt es auch an den Bürgern, Mitverantwortung für eine gute Zukunft zu übernehmen. Wut ist das schlechteste „Rezept“. Der Spruch von John F. Kennedy aus dem Jahr 1961 ist viel zitiert, aber jetzt ganz besonders aktuell: „Fragt nicht, was euer Land für euch tun kann – fragt, was ihr für euer Land tun könnt.“ Denn die Gleichzeitigkeit der Krisen ist nicht allein von „der“ Politik zu bewältigen.
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