Dass er sich mit gebrochener Nase und Spuren von Schlägen im Gesicht selbst erhängt haben könnte, gilt als äußerst unwahrscheinlich. Doch allein die Vermutung, dass aus Minsk geschickte KGB-Agenten ihre Hände im tödlichen Spiel haben könnten, reicht als Botschaft. Die da wäre: Nirgends und niemals sollen sie sich sicher und frei fühlen – die Menschen, die vor Autokratie und Diktatur fliehen. Ständig sollen sie an der Angst laborieren: Jeder könnte der nächste sein, den plötzlich ein Auto überfährt. Dem Gift eingeträufelt wird. Den eine Bombe zerreißt.
Dass es dem Autokraten Lukaschenko nicht an Dreistigkeit mangelt, weiß man spätestens seit der Flugzeugentführung einer Ryan-Air-Maschine im Mai. Zu leugnen gab es damals nichts – und so wurden der Diktator und seine Handlanger mit Sanktionen belegt. Schwieriger wird es sein, ihnen nun eine Verwicklung in den Tod des erhängten Weißrussen in Kiew nachzuweisen.
Und selbst wenn doch – gibt es da noch immer Lukaschenkows Schutzpatron Wladimir Putin. Russlands Präsident und dessen Sicherheitsdienste sind bekanntlich auch nicht zimperlich, wenn es darum geht, unliebsam gewordene Ex-Agenten und sonstige „Verräter“ mit Polonium oder Nowitschok zu vergiften.
Und was war die Sanktion darauf? Empörung, ein paar Diplomaten wurden abgezogen, ein paar windelweiche Strafmaßnahmen – und dann war alles beim Alten.
Nicht viel anders war es bei der Ermordung des Journalisten Jamal Kashoggi im saudischen Konsulat in Istanbul. Diese Untat im Namen des saudischen Staates erregte gewaltiges Aufsehen, hatte aber langfristig vor allem eine Folge: Dissidenten fern der Heimat können nie frei von Angst sein. 30.000 Tschetschenen in Österreich ergeht es ähnlich. Ein vermutlicher Auftragsmord ereignete sich vergangenen Sommer in Wien. Seither geht die Angst um. Sie wissen: Auftragsmorde gegen Kritiker, Dissidenten und Flüchtenden vor Diktaturen geschehen. Die Regime haben lange Arme. Und nur in den seltensten Fällen werden ihnen die Mordwerkzeuge aus der Hand geschlagen.
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