Mit Glaskinn regieren, das wird noch mühsam

Kritik soll weiter helfen. Vor allem, wenn Gesetze gemacht werden, die keiner mehr verstehen kann.
Helmut Brandstätter

Helmut Brandstätter

„Aber das ist ja ein Blödsinn, was Sie da reden“, so ein genervter Minister Gernot Blümel in der ZiB2 am Mittwoch zum Moderator, kurz, nachdem er selbst eine, na sagen wir Unrichtigkeit formuliert hat. Nein, es gibt keine Identifikationspflicht, wie Blümel meinte, kundige Juristen haben das schnell auf Twitter nachgewiesen. Aber woher kommt diese Dünnhäutigkeit, die auch den Bundeskanzler manchmal befällt? Er beklagte die „ultimative Form der Falschinformation“, nachdem Ö3 völlig richtig berichtet hatte, dass die Regierung die Parteienförderung erhöhen werde.

ÖVP und FPÖ sind mit großen Versprechungen gestartet, und haben dabei im Wochentakt die große Show, manchmal mit kleinen Gemeinheiten, abgezogen. Nun wird klar, dass das Formulieren von Gesetzen schwierig ist, und dass für echte Reformen flotte Sprüchen nicht reichen. Das „digitale Vermummungsverbot“ wird nur teilweise effizient sein. Aufforderungen zu Gewalt finden sich auch auf einer FPÖ-nahen Plattform (Kopie liegt dem KURIER vor). Solche Seiten wären vom Gesetz nicht betroffen, außer sie stellen die Kommentare ein, wie unzensuriert.at jetzt verspricht. Die großen US-Seiten wie Facebook aber bekommen noch mehr Daten als bis jetzt von uns. Oder die Mindestsicherung: Ob Spenden künftig angerechnet werden, weiß noch immer niemand genau, „Ermessen“ heißt es jetzt. Oder die Zusammenlegung der Kassen. Nicht einmal der neue Chef hat eine Ahnung, wie er die versprochene Milliarde einsparen wird. Aber dort, wo im Gesundheitssystem wirklich gespart werden könnte, bei den Spitälern, passiert nichts. Da könnten sich ja die Länder wehren.

Reformen sind notwendig – wer traut sich?

In kaum einem OECD-Land ist die Belastung so hoch ist wie bei uns. Wir brauchen keine Senkung der Körperschaftssteuer, meint auch die wirtschaftsfreundliche Agenda Austria, aber dringend die Entlastung des Faktors Arbeit. Davon ist nichts zu hören, denn das – und die rasche Abschaffung der kalten Progression – ließen sich nur über Kürzungen der Förderungen finanzieren. Politiker aber lieben Förderungen, gleichzeitig wissen Bund, Länder und Gemeinden noch immer nicht, wo diese genau landen. Bei einer Diskussion über eine Steuerreform dürfen auch Erbschafts- und Vermögenszuwachssteuern kein Tabu sein. Es soll sich Leistung ja wieder lohnen.

Reformen sind schwierig, da muss die Regierung eine Stimmung der offenen Diskussion ins Land bringen, anstatt ständig beleidigt andere zu beleidigen. Früher war das eine Spezialität der FPÖ, weil dort die Unsicherheit ihrer Akzeptanz vorherrscht, aber diese Unsicherheit hat auf die ÖVP übergegriffen.

Während wir Reformen meiden und uns digital entblößen, werden anderswo digitale Unternehmen gefördert, durch eine offene Stimmung und deutlich niedrigere Steuern. Beides ist bei uns nicht in Sicht.

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