Symbolpolitik mit Folgewirkung

Martina Salomon
In der jetzigen Wirtschaftskrise ist es nicht möglich, noch viele weitere Menschen aus anderen Kulturen aufzunehmen
Martina Salomon

Martina Salomon

Theoretisch hätte das Thema ja Potenzial für einen Koalitionskrach. Weil wir aber Hochsommer und Corona haben, ist Sachpolitik abgemeldet. Sollen also Lehrlinge auch mit abgelehntem Asylrecht dauerhaft in Österreich bleiben dürfen, wie es Grün, Rot, Pink befürworten, Türkis und Blau aber ablehnen? Wer den Einzelfall des gut integrierten Afghanen mit abgeschlossener Tischlerlehre betrachtet, wird ihn natürlich halten wollen. Genauso, wie in den Salons der Oberschicht niemand der These zu widersprechen wagt, dass es für ein reiches Land wie Österreich doch bitteschön möglich sein muss, 100 unbegleitete Minderjährige aus einem griechischen Lager aufzunehmen.

Natürlich schaffen wir das, um ein historisches Zitat mit Folgewirkung zu verwenden. Aber solche Symbolpolitik hat einen „Pull-Effekt“: Das Wissen, dass eine Lehre zu einem automatischen Aufenthaltsrecht führt, entfaltet Sogwirkung. Firmen finden doch eh keine Lehrlinge, werden Wirtschaftsvertreter einwenden, und bis zum Pandemie-Ausbruch hat das gestimmt. Aber kümmern sie sich um die Folgekosten durch Familiennachzug und Heiratsmigration? Und führt es nicht dazu, dass noch mehr Eltern ihre Söhne auf eine lebensgefährliche Reise schicken in der Hoffnung, dass sich der Schlepper rechnet und das Kind später Geld heimschicken wird?

Niemand muss Österreich Kaltherzigkeit vorwerfen: EU-weit sind wir laut Integrationsbericht 2019 Nummer eins bei den Asylanerkennungen und haben den dritthöchsten Anteil an Zugewanderten (jeweils proportional zur Bevölkerung). Jeder Vierte hier Lebende hat Migrationshintergrund (beide Eltern im Ausland geboren). Österreich ist mit Integrationsaufgaben überfordert. 51 Prozent der Wiener Schüler sprechen daheim nicht deutsch. Etlichen von ihnen droht ein Leben in der Mindestsicherung.

Es ist eine Illusion, dass wir in der jetzigen Wirtschaftskrise noch viele weitere Menschen aus anderen Kulturen und mit hohem Betreuungsaufwand aufnehmen können. Mehr als ein Drittel der Mindestsicherungsbezieher sind schon derzeit Asyl- und subsidiär Schutzberechtigte. Unter den Arbeitslosen sind ebenfalls ein Drittel ausländische Staatsangehörige. Besondere Schwierigkeiten am Jobmarkt haben Syrer, Iraker, Afghanen, Tschetschenen.

Humanitäres Asylrecht und offener EU-Arbeitsmarkt werden natürlich bleiben. Viele Branchen würden ohne „Ausländer“ zusammenbrechen. Wobei das angesichts von 421.700 Arbeitssuchenden nicht mehr ganz verständlich ist. Es braucht jetzt Reformen ohne linken oder rechten Populismus. Inklusive einer Entbürokratisierung der Rot-Weiß-Rot-Karte für Leistungsbereite. Wäre übrigens auch eine Möglichkeit für Asylsuchende mit Lehrabschluss (aber in diesem Fall eben ohne Anspruch auf Familiennachzug).

Kommentare