#MeToo: Wie wir miteinander umgehen wollen

Kommentar: Die #MeToo-Debatte setzt berechtigterweise weit vor der Strafbarkeit von Machtmissbrauch an.
Georg Leyrer

Georg Leyrer

In der Politik durfte zuletzt bei der Koalitionspartner-Suche das Strafrecht als Grenze herhalten. Im Alltag pflegen wir, zum Glück, einen verfeinerteren Umgang miteinander: In vielen Konstellationen – Chef/Untergebener, Eltern/Kind, Lehrer/Schüler – ist die Grenze des Zumutbaren weit enger gezogen als das Strafrecht. Wer die Macht hat, muss sorgsam und menschenwürdig mit ihr umgehen. Sonst ist er untragbar und bekommt – hoffentlich – die Rechnung serviert.

Bei den heimischen Machtmissbrauchs- und Übergriffsfällen hingegen argumentieren die Verteidiger gerne: Wenn etwas strafrechtlich nicht relevant sei (das kann auch heißen: verjährt oder nicht ausreichend belegbar), ist der Täter aus dem Schneider. Hätten die Opfer halt früher geredet oder Anzeige erstattet ...

Doch die tolerierbare Grenze ist auch hier lange vor dem Gang zum Gericht erreicht. Ausgelöst durch die Kulturwelt – insbesondere den Fall Harvey Weinstein – wird in der #MeToo-Debatte endlich neu verhandelt, wie wir als Gesellschaft Machtmissbrauch und sexuelle Übergriffe bewerten. Es geht darum, dass Schwächere mit Aussicht auf Jobs oder Androhung von Karriereeinbußen auch nicht betatscht oder „nur“ herabgewürdigt werden dürfen. Und dass diejenigen, die ihre Macht dazu missbrauchen, Konsequenzen spüren sollen.

Und zwar ohne Vorverurteilungen oder sozialmediale Hetze gegen vermeintliche Täter – unser Umgang miteinander darf nicht vom Online-Mob geprägt sein. Die Beschuldigten müssen sich wehren können. Denn es geht um eine Einigung, die wir zusammen treffen müssen: So wollen wir nicht miteinander umgehen. Dazu brauchen wir noch lange keinen Richter.

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