Nun stelle man sich einmal vor, ein neuer Minister wäre schon im April gekürt worden und träte zwar in Pressekonferenzen auf, verweigere aber seit Monaten Interviews: So hält es der neue österreichische Fußball-Teamchef Ralf Rangnick. Angeblich wird es im Juli „Möglichkeiten“ geben, heißt es gönnerhaft. Wenn es dann endlich so weit ist, wird ihn sicher niemand in Großinquisitoren-Manier „grillen“. Stars in Sport und Kunst dürfen sich im Gegensatz zur Politik fast alles erlauben – ihre Manager akzeptieren oft nicht einmal Pressefotografen: Opernsängerinnen wie Anna Netrebko erscheinen in Medien nur mit aufwendig inszenierten Schönbildern: also Message- und Picture Control!
Bei Top-Managern wiederum sorgt eine Pressesprecher-Armada dafür, dass nur makellose Worte publiziert werden. Zugegeben, ein Dickicht an Börsenregeln und „Compliance-Vorschriften“ erschwert jede klare Aussage. Wer sich traut, den Fuß aus der Wirtschaft in die Politik zu setzen, verdient einen Bruchteil und geht das Risiko ein, nur noch schwer vermittelbar zu sein, weil jeder Job danach als „Versorgungsposten“ diffamiert wird. Wird eigentlich im selben Ausmaß problematisiert, wie wichtig zum Beispiel Männerbünde (geheime und weniger geheime) für Karrieren in Österreich sind?
Man nimmt es achselzuckend hin, schließlich dreht sich alles um den politischen Sumpf und da vor allem um die ÖVP. Sie wird ihre komplizierte, bündische Parteistruktur mit Tausenden Unterorganisationen nun bis auf Gemeindeebene durchleuchten müssen. Aber sollte der Rechnungshof nicht auch prüfen dürfen, ob das weitverzweigte Firmennetzwerk etwa der Wien-Holding oder mächtige Wohnbaugenossenschaften in der Bundeshauptstadt wirklich so rein gar nichts mit der SPÖ zu tun haben? Die viel gescholtene Bundespolitik ist übrigens oft unkomplizierter als die Landespolitik. So lud der KURIER die Politikerinnen Ulli Sima und Leonore Gewessler zu einem Publikumsgespräch (u. a. zum Lobautunnel). Die Ministerin bot mehrere Termine an, das Büro der Stadträtin keinen einzigen. Wochenlang keine Zeit? Oder auch eine Art von Message Control, indem man sich der heiklen Debatte einfach entzieht?
Den Vorwurf der Message Control auf politische Parteien (bzw. auf nur eine) zu reduzieren ist jedenfalls ziemlich naiv. Und auch das permanente Skandalgeschrei führt nur in den seltensten Fällen zu einer Anklage, gar zu einer gerichtlichen Verurteilung. Die inflationäre Verwendung des Begriffs „Korruption“ für eh alles beschädigt die Politik, die Medien und das Vertrauen der Gesellschaft in die Institutionen. In einer Zeit, in der es bitter notwendig wäre.
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