In drei Wochen wird nun ein neuer Bundestag gewählt und Merkel die Regierung danach nicht mehr anführen. Also reicht die Bedeutung der Entscheidung weit über Deutschland hinaus. Es geht um Stabilität in Europa, um die Vermittlerrolle bei zentralen globalen Fragen und um Vorreiterschaft bei Umweltpolitik. Angesichts dieser Brisanz widmen wir dem Thema im KURIER ab heute eine Serie. Sie beginnt mit einem Interview mit der Politikwissenschaftlerin Andrea Römmele, die analysiert, warum es tatsächlich sein kann, dass Olaf Scholz gewinnt und das Kanzleramt für die SPD zurückerobert. In Umfragen liegt er erstmals mehrere Prozentpunkte vor dem im freien Fall befindlichen CDU-Kandidaten Armin Laschet.
Sie lesen richtig: Kanzleramt und SPD. Und fragen sich vielleicht: Sind das nicht die totgesagten Sozialdemokraten? Die könnten ernsthaft das wirtschaftlich wichtigste EU-Land wieder regieren? Allein diese Option zeigt, wie überholt klischeehafte Kategorisierungen, unverrückbare Einteilungen in Links und Rechts sind, wenn sich die Welt so rasch wie nie zuvor dreht und sich der Wähler für Persönlichkeiten entscheidet und nicht für Parteien. Ist es in Österreich so anders? Wählen die Menschen Sebastian Kurz oder die ÖVP?
Besonders gewundert hat sich zuletzt die New York Times über den Höhenflug des deutschen Finanzministers und stellt ihn als Langweiler dar. Ein ehemaliger US-Botschafter meint sogar, Wasser beim Kochen zuzusehen, sei interessanter. Naja.
Spannender ist Armin Laschet auch nicht, und die Auftritte von Annalena Baerbock bieten viel Potenzial für Zynismus. Aber ist nicht gerade das erfreulich an aktueller deutscher Politik? Dass Langeweile und Sachthemen möglich sind? Stellen wir uns in Österreich – in Zeiten von Corona-, Afghanistankrise, Flüchtlingsdebatte, Impfverweigerern, EU-Bashing etc. – einen Nationalratswahlkampf mit drei ähnlich starken Parteien, ÖVP, SPÖ, FPÖ, vor. Lieber nicht aus Gründen der Psychohygiene.
Kommentare