Kein Wunder, dass statistisch gesehen jeder zehnte Österreicher irgendwann im Laufe seines Lebens alkoholkrank ist. Im internationalen Vergleich liegen wir beim Konsum über dem Schnitt, unsere Jugendlichen rangieren sogar im Spitzenfeld. Laut OECD konsumieren Österreicher ab 15 Jahren jedes Jahr 12 Liter reinen Alkohol – zweieinhalb Flaschen Wein oder 4,5 Liter Bier pro Woche und Person. Klingt nicht nach viel, oder doch? Wer rechnet schon zusammen.
Wer noch nie einen Schwips im Job hatte, werfe den ersten Stein. Im persönlichen und beruflichen Umfeld ist die Reaktionskurve, wenn jemand gerne „über den Durst trinkt“, meist sehr flach: Die einen ignorieren es, andere verharmlosen es lieber. Immerhin will man ja selbst nicht gleich schief angesehen werden, wenn man sich so einen kleinen Fehltritt leistet.
Das geht gut, so lange man die Grenze der Arbeitsfähigkeit einhält. Und wenn einmal die Stimmung kippt und der bzw. die Betroffene als Alkoholiker abgestempelt wird? Dann gibt’s nur selten Rückendeckung vom Unternehmen, geschweige denn Verständnis für die Erkrankung oder gar Unterstützung.
Die Österreicher bekommen seit jeher vorgelebt, dass das alles völlig normal ist. Erst kürzlich wurden die Chat-Skandale rund um die Türkisen von Altpolitikern damit kommentiert, dass die heutige Politikergeneration mehr Spritzwein trinken und weniger Chats schreiben sollte. Sager wie Michael Häupls „Man bringe den Spritzwein“ gelten als Kult. Selbst nach der feuchtfröhlichen Ibiza-Nacht hat HC Strache lange Rückendeckung bekommen – erst nach der Spesen-Affäre war der Ofen der Sympathie aus. Nur Frauen werden öffentliche Auftritte mit Zungenschlag weniger verziehen.
Egal was die Hintergründe sind, niemand sollte dafür gefeiert werden, betrunken zu arbeiten. Das ist immer ein völlig falsches Signal.
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