Kaffeehausbesuch auf Krankenschein? Ich bin dafür!

Kaffeehausbesuch auf Krankenschein?  Ich bin dafür!
Wissen Sie, was der Schriftsteller Thomas Bernhard gemacht hat, wenn er sich wieder einmal fürchterlich ärgern musste: Er ging einfach ins Kaffeehaus.
Marco Weise

Marco Weise

Wir leben im Zeitalter der Dauererregung (bitte nicht mit Dauererektion verwechseln). Kaum noch jemand denkt darüber nach, wie er/sie tatsächlich zu dieser Aussage und jenem Vorschlag steht. Zum Reflektieren, Meinungen-Anhören und Abwägen fehlt einigen vielleicht die Zeit. Es mangelt aber auch oft am dafür nötigen Zuhör- und Einfühlsvermögen. Und so rülpsen viele einfach irgendeinen Schwachsinn via Smartphone ins Internet.

Diese wachsende Empörungskultur ist ein gefundenes Fressen für (rechtskonservative) Populisten, die die eh schon würzige Wut-Suppe mit unbegründeten Ängsten und „Alternativfakten“ nachsalzen. So wird etwa eine völlig harmlose Kinderbuchlesung einer Dragqueen von der FPÖ zum kulturellen Endkampf hochgejazzt, wie das unlängst in Wien der Fall war. Eine Entwicklung, die an sehr dunkle Zeiten erinnert, in denen Homosexuelle verfolgt und umgebracht wurden. Nachzulesen ist das im jüngst erschienenen Buch „Als homosexuell verfolgt“ (Mandelbaum Verlag). Darin leistet Autor Andreas Brunner Pionierarbeit: Er hat über 60 Porträts geschrieben, um den Opfern ein Gesicht zu geben. Mit der Verfolgung Homosexueller durch die Nazis setzt sich derzeit auch das neue Stück der Theatergruppe Nesterval auseinander: „Die Namenlosen“ ist noch bis Ende Juni am ehemaligen Areal des Wiener Nordwestbahnhof zu sehen (nesterval.at).

Zurück zur chronischen Aufgeregtheit: Wissen Sie, was der Schriftsteller Thomas Bernhard gemacht hat, wenn er sich wieder einmal fürchterlich ärgern musste: Er ging einfach ins Kaffeehaus: „Ich trat ein, holte mir einen Stoß Zeitungen und beruhigte mich. Wie andere in den Park, in den Wald, lief ich immer ins Kaffeehaus, um mich abzulenken und zu beruhigen, mein ganzes Leben lang.“ Diesen bernhard’schen Blutdrucksenker sollte sich die Rumpelstilzchen-Fraktion zu Herzen nehmen. Kaffeehausbesuch auf Krankenschein? Ich bin dafür!

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