Im Zeitalter der Fake-Lips: Wenn einen ein Schlauchboot anlacht
Da ich über Tauben besser kein Wort mehr schreibe, wechsle ich schnell das Thema – und widme mich „schöneren“ Dingen. Was generell als schön empfunden wird, ändert sich bekanntlich im Laufe der Jahre. So war im Mittelalter keusche Schönheit gefragt – mit wenig Schminke, blasser Haut und kleinen Brüsten. Junge Frauen schmierten sich sogar Taubenkot auf die Brust – er sollte das Wachstum stoppen. Wie die Haut danach ausgesehen hat, möchte ich nicht wissen. Angesagt war auch eine hohe Stirn. Dazu zupfte man sich die Haare am Ansatz büschelweise aus. Gebräunte Haut war hingegen ein Armutszeugnis, das für bäuerliche Feldarbeit stand. Während in den 50er-Jahren noch ein weiblicher Körper mit viel Busen, Bauch und Po gefragt war, wollten Frauen nur zehn Jahre später so aussehen wie das dünne, knabenhafte Model Twiggy.
Heutzutage scheinen Fake-Lips im Trend zu sein. Zumindest begegnet man diesen immer häufiger. Besonders, wenn man auf Instagram und Tik Tok herumwischt. Dort präsentieren Influencerinnen mit Einsatz diverser Filter stolz ihren (neu gemachten) Schmollmund. Wem der liebe Gott keine voluminösen Lippen geschenkt hat, kein Problem. Alles machbar. Einige spritzen dabei aber übers Ziel hinaus – und haben dann ein starres Schlauchboot unter der Nase sitzen. Dass in diesem Zusammenhang weniger immer mehr ist, sollte hierzulande eigentlich längst bekannt sein. Stichwort: Jeannine Schiller.
Mittlerweile scheint das ganze Aufgespritze, die halbjährliche Faltenbereinigung mehrheitsfähig geworden zu sein: Das machen jetzt nicht nur irgendwelche It-Girls, sondern scheint in der Mitte der Gesellschaft angekommen zu sein. Es wird nachjustiert, geglättet und gefälscht: Hier ein bisschen Hyaluronsäure, dort ein Jaukerl Botox.
Wir leben im Zeitalter des Schwindels.
Kommentare