Auch für Unmutsäußerungen gibt es eine Etikette

Auch für Unmutsäußerungen gibt es eine Etikette
Als gelernte Österreicherin gilt es als Kunst, seinen Unmut kundzutun, ohne jemanden direkt anzusprechen.
Laila Docekal

Laila Docekal

Sie kennen doch sicher diese Menschen, die laut vor sich hinkeppeln, wenn ihnen etwas gegen den Strich geht. Zum Beispiel, wenn Radfahrer den Weg verwenden, der für Fußgänger bestimmt ist. Oder wenn sich in den Öffis die Menschen am Bahnsteig hineindrängeln wollen, bevor die Passagiere im Zug Gelegenheit haben, auszusteigen.

Ich gestehe es jetzt geradeaus: Ich kepple auch. Nicht oft. An vielen Tagen ist man nachsichtig mit seinen Mitmenschen. Aber unlängst konnte ich es mir einfach nicht verkneifen. Ich war mit Kinderwagen in den gesteckt vollen Öffis unterwegs und beim Lift in der Station haben etliche, durchaus mobile Menschen die Wartezeit auf den Lift unnötig verlängert.

Muss das denn sein? Wieso können Leute mit zwei gesunden Beinen nicht einfach die Rolltreppe verwenden, wenn sie schon keine Lust haben, Stiegen zu steigen?

Meinem Mann war das unendlich unangenehm. Er weiß aber, dass er mir das in dem Moment nicht sagen kann, weil ich dann nur noch deutlicher erkläre, warum ich dieses Verhalten nicht in Ordnung finde.

Als gelernte Österreicherin gilt es als Kunst, seinen Unmut kundzutun, ohne jemanden direkt anzusprechen. Die Adressaten wissen trotzdem genau, dass sie gemeint sind. Essenziell ist, nicht unflätig zu werden. Man will ja nicht streiten, sondern nur seinen Unmut kundtun. Meist handelt es sich ja nicht um einen richtigen Regelverstoß (da werden geübte Keppler mitunter sogar ausfallend), sondern um kleine Fehltritte, die einen an einem schlechten Tag am falschen Fuß erwischt haben.

Insofern weiß man, dass die deponierte Beschwerde nichts daran ändern wird, dass es wieder passiert. Deshalb nimmt mein Mann bei Kinderwagen-Ausflügen jetzt lieber gleich die Rolltreppe.

laila.docekal@kurier.at

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