150 Meter Schlange stehen für eine Wohnung: Wien darf nicht Berlin werden

150 Meter Schlange stehen für eine Wohnung: Wien darf nicht Berlin werden
Die etwas mehr als 74 Quadratmeter große Wohnung war mit etwa über 1000 Euro Miete vergleichsweise günstig.
Julia Schrenk

Julia Schrenk

Haben Sie das Video aus Berlin gesehen? Dort hat sich eine 150 Meter lange Schlange gebildet – wegen einer Wohnung. Ein Mann hat sie gefilmt und via Twitter veröffentlicht. Dazu schrieb er: „Es gibt hier nichts zu sehen. Außer einer halbwegs günstigen Drei-Zimmer-Wohnung.“

74,23 Quadratmeter um 1.071 Euro – ein Schnäppchen für Berliner Verhältnisse. Binnen einer Stunde gab es 600 Anfragen zu der Wohnung, nach einer Stunde musste die öffentliche Besichtigung abgebrochen werden.

Schlangen bilden sich in Wien wegen einer bezahlbaren Wohnung noch nicht, aber auch hier ereilt einen zunehmend das Gefühl, sich für eine Wohnung bewerben zu müssen. Wer mehr verdient, hat bessere Chancen.

Freilich nur, wenn man sich einen Umzug überhaupt leisten kann. Wer Eigentum haben möchte, aber nicht zufällig eine halbe Million Euro erbt, hat eher keine Chance. Wer eine Mietwohnung mit einem Zimmer mehr möchte – oder gar einen Balkon – muss sich wappnen: 1.000 Euro und mehr für 60 Quadratmeter sind nicht selten. Eine Wohnung unbefristet zu bekommen, davon träumt ohnehin niemand mehr, oder?

Die Erhöhung der Richtwertmieten gibt’s von der Bundesregierung frei Haus dazu. 8,6 Prozent – bei einer Mietwohnung um 1.000 Euro sind das 1.032 Euro pro Jahr. Das und die gestiegenen Energiekosten führen dazu, dass Menschen ihre Wohnungen aufgeben und in kleinere, verhältnismäßig teurere umziehen müssen. Im Gemeindebau ist die Situation besser, aber auch nicht gut. Die Mieten steigen auch hier, neuerdings scheint sogar Wäschewaschen Luxus zu sein: 10 Euro für zwei halbe Tage Waschküche im Monat. Alternativ Schmutzwäsche tragen, oder wie?

Wohnen ist neben der Klimakrise das brisanteste Thema unserer Zeit. Es betrifft Studierende wie Pensionisten, Singles wie Familien. Dass es auf der politischen Agenda von Stadt und Bund trotzdem nicht ganz oben steht, ist ein gefährliches Verkennen der Lage.

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