Dies platzt in eine Zeit, in der Medien und Politik ohnehin mit einer massiven Glaubwürdigkeitskrise ringen. Häme ist jedenfalls fehl am Platz. Wer darüber jubelt, dass es nun die „Richtigen“ erwischt, könnte mit einem Kater aufwachen. Denn so eine Krise beschädigt alle – und befeuert Populisten sowie dubiose alternative „Info“-Kanäle. Wirklich unabhängiger – nicht meinungsloser – Journalismus bleibt für die Demokratie essenziell. Und dafür ist eine kritische Distanz zwischen Medien und Macht natürlich unabdingbar.
Unabhängigkeit bedeutet dennoch nicht, sich nur noch Geschichten zusammenzugoogeln. Echter Journalismus muss bei der Recherche mit echten Menschen kommunizieren. Medienleute brauchen Informanten und Vertrauensleute. Es geht um einen Informationsvorsprung im Interesse der Leserschaft, aber nicht um Eitelkeit und persönlichen Vorteil. Unabhängiger Journalismus bedeutet auch nicht, jedes Interview als Schlagabtausch zu inszenieren, um Applaus der Twitter-Blase zu erheischen. Gift für die Glaubwürdigkeit der Medien ist der in Mode gekommene „Haltungsjournalismus“ im Sinne moralischer Selbstüberhöhung und missionarischer Ideologie. Leider ist die Diskussionskultur insgesamt gefährdet, auch von aggressiven Social-Media-Debatten. Zu viele Journalisten lassen sich davon beeindrucken.
Die Politik jedoch hat entgegen vieler Vorurteile Einfluss auf Journalisten verloren, die Distanz ist Gott sei Dank größer geworden. Einfach weil es viel mehr Medien gibt, und auch, weil es nicht mehr opportun ist, dass sich Chefredakteure und Politiker Themen und Berichterstattung ausmachen, wie das vor Jahrzehnten durchaus üblich war. Ja, es gab und gibt Interventionen – vor allem von Seiten, die jetzt gar nicht im Fokus stehen (aber viel seltener als manche glauben). Damit wird in Redaktionen, die wie der KURIER auf Qualität setzen, professionell umgegangen. Die Unabhängigkeit unserer Redaktion garantiert ein eigenes Statut. Wir haben strenge Leitsätze für unsere Arbeit.
Irgendwann einmal, wenn alle 300.000 Chats „ausgeschlachtet“ sind, muss allerdings die Frage an die Justiz gestattet sein, ob es wirklich in Ordnung war, das Grundrecht auf Brief-, Telekommunikations- und Redaktionsgeheimnis auch für Dialoge auszuhebeln, die sich teils haarsträubend lesen, aber kein Hinweis auf einen Straftatbestand sind.
Im Kern liegt das Überleben des Qualitätsjournalismus in der Hand der Medienkonsumenten. Nur wenn diese bereit sind, für seriöse, faktenbasierte Information zu zahlen, macht uns das von Medienförderung und Inserenten unabhängig.
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