Matura als Anwesenheitsbestätigung

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Die vergeigten Gesetze und Verordnungen häufen sich. Das dürfen wir aber nicht alles damit entschuldigen, dass es grad eilig war.
Bernhard Gaul

Bernhard Gaul

Gut möglich, dass es Schülerinnen oder Schüler gibt, die bei dieser schriftlichen Matura in drei Fächern antreten, nach ein paar Minuten leere Bögen, nur mit dem eigenen Namen versehen, wieder abgeben. Und die trotzdem pfeifend den Prüfungssaal verlassen, weil sie jedenfalls ein positives Maturazeugnis ausgehändigt bekommen. Eine Durchführungsverordnung zur Notengebung des Bildungsministeriums macht das möglich.

Bildungsminister Heinz Faßmann hat schnell reagiert und Änderungen angekündigt, damit die Matura wieder ernst genommen wird. Was immer zum Schluss dabei herauskommt, es betrifft diesen Maturajahrgang nicht mehr. Die 2020er-Maturanten werden also leicht naserümpfend als Corona-Opfer oder -Profiteure wahrgenommen werden. Weil eine Reifeprüfung ohne Prüfung dann doch eher nur eine Anwesenheitsbestätigung ist.

Aber ist das schlimm? Hand aufs Herz, können Sie, verehrte Leserin, verehrter Leser, sich noch erinnern, welches schriftliche Deutsch-Thema Sie bei der Matura behandelt haben? Sind Sie in Ihrem späteren Leben oft nach Thema, Inhalt und Note gefragt worden? Hat sich irgendein Arbeitgeber Ihr Maturazeugnis genau angesehen? Wohl kaum.

Die Matura ist längst auch nicht mehr der Türöffner für ein Studium. Die nachgefragtesten Studien haben alle eigene Studieneingangsphasen, letztlich Tests, um hoffentlich jene Studenten heraussieben zu können, die das Studium mit größerer Wahrscheinlichkeit auch beenden. Eigentlich können die Unis auch die Minimalisten, die leere Blätter bei der Matura abgeben, gut brauchen, ist doch längst nicht das wissenschaftliche Nachdenken besonders gefragt, sondern es geht darum, wer am schnellsten die nötigen ECTS-Punkte für einen Abschluss sammelt.

Dennoch ist ein Maturazeugnis, das eigentlich nur eine Anwesenheitsbestätigung ist, alles andere als wünschenswert. Dem Bildungsministerium ist da ein Pallawatsch passiert, den man nicht wirklich entschuldigen kann, nur weil doch in Corona-Zeiten alles schnell gehen musste. Die verhaute Verordnung reiht sich nämlich nahtlos ein in diverse versemmelte Regierungsvorhaben – wie Ostererlass, Kurzarbeit, die Lockdown-Regeln zu Besuchen daheim oder das aktuelle Budget.

Liegt es daran, dass wir nur noch Ankündigungspolitik erleben, bei der zuerst etwas versprochen wird, und dann mühsam und mit fragwürdiger Legistik Gesetze und Verordnungen formuliert werden müssen? Nicht wenige Verfassungsrichter würden dem wohl zustimmen – angesichts der Fülle an Gesetzen, die gehoben werden, weil diese falsch oder schlecht formuliert sind. Es scheint, da fehlt’s am handwerklichen Können. Jener Legisten und Fachbeamten übrigens, die alle lange vor Corona ihre Matura abgelegt haben.

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