Dabei ist Macrons Position, was den Führungsanspruch Frankreichs betrifft, nicht neu: „Ich habe schon immer eine gewisse Idee von Frankreich in mir getragen. Frankreich ist für mich etwas sehr Großartiges, Besonderes. Frankreich sollte in der Welt eine ganz eigene Rolle haben.“ Diese Worte Charles de Gaulles sind Dogma in der Grande Nation, die selbst als Gründungsmitglied der NATO immer eine Sonderrolle spielte im westlichen Verbund.
Emmanuel Macron hat seit seiner Rede in der Sorbonne Visionen im Sinne dieses Sendungsbewusstseins verkündet. Er träumte von EU-Vertiefung und EU-Finanzbudget, vom Corona-Konjunkturpaket und von Asylanlaufstellen in Schwarzafrika – Weniges setzte er durch, mit Manchem hatte er recht.
Auch in Sachen Taiwan hat er grundsätzlich recht: Die Politik der westlichen Welt gegenüber Taiwan ist seit jeher verlogen. Nach Gründung der Inselrepublik als Folge der kommunistischen Revolution auf dem Festland wandten sich nach und nach alle namhaften Staaten von Taiwan ab und nahmen Beziehungen zu Peking auf – weil groß, wichtig und wirtschaftlich bedeutend. Aber Taiwan will man beistehen im Fall des Falles, dass China die Taiwanesen „heim ins Reich“ holt – Sub-Hoffnung: Wird schon nicht passieren.
Diese Doppelmoral aufzeigen, d’accord. Allein: Welche Lösung des nicht lösbaren Taiwan-Spagats hätte Charles de Gaulle gehabt? Sein Frankreich war 1964 die erste westliche Nation, die sich mit Chinas Kommunisten ins Bett legte und Taiwan diplomatisch fallen ließ. Aber er wäre vielleicht auch einer, der die These verträte: Wollte man China vom gewaltsamen Einverleiben Taiwans abhalten, dann ginge das nur mit demonstrativer Entschlossenheit, das nicht hinzunehmen (diplomatisch, an einen weiteren militärischen Konflikt neben der Ukraine will ja niemand denken).
Macron hat, aus welchem (wirtschaftlichen) Grund immer, diese Geschlossenheit torpediert und Peking ein falsches Signal gesendet. Recht zu haben in der Sache ist eben nicht immer der beste politische Ratgeber.
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