Lockdown in der Stadt vs. Lockdown am Land: Kein Vergleich
"Eigentlich merken wir gar keinen Unterschied zu vor dem Lockdown."
Wer so einen Satz von sich gibt, der weiß erstens gar nicht, wie glücklich er sich schätzen kann und wohnt zweitens wohl am Land.
Gesagt hat ihn mein Vater, quasi zur Begrüßung - als wir gerade das Auto auspackten und unser Gepäck in die leer stehende Wohnung meiner Oma siedelten.
Gemeinsam mit Frau und Kind habe ich hier die vergangenen zwei Wochen verbracht. Das geht ja jetzt, in Zeiten von Home Office.
Hier, das ist eine kleine Gemeinde im Salzburger Flachgau. Spar, Kirche, Gewerbegebiet. 6.000 Einwohner. Und: Kein Corona. Jedenfalls nicht im öffentlichen Leben, jedenfalls nicht im Vergleich zu Wien. Wer keine Zeitung liest oder fernsieht, für den ist Corona hier einfach nicht präsent.
Der Kirchenwirt im Dorf hat seit Jahren nur noch Mittagstisch, das Schuhgeschäft, das es auch einmal gab, ist schon vor 20 Jahren abgesiedelt, die Tankstelle hat längst auf Selbstbedienung umgestellt. Dazwischen gibt’s Wiesen, Kühe, Autos.
Was hat sich also geändert?
"Man sieht mehr Menschen spazieren gehen vielleicht", sagt mein Vater.
Vielleicht ist das ja der Unterschied zur Stadt. Wer dieser Tage die Mariahilfer Straße hinunterspaziert, hat spätestens auf der Höhe Neubaugasse die erste depressive Episode, bei so vielen geschlossenen Geschäften ist er da bereits vorbei gelaufen.
Dafür sind die Parks übervoll. Ich habe keine Lust mehr, meinen Zweijährigen von fremden Kindern herunterziehen zu müssen, weil er sie mit seiner angebissenen Laugenbreze füttern will. So sieht für mich der Lockdown in der Stadt aus.
Infiziertes Land
In den Top 10 der aktuell am meisten betroffenen Bezirke Österreichs finden sich vorwiegend kleine Gemeinden. Keine einzige Stadt mit mehr als 10.000 Einwohnern ist darunter. Auf Platz 14 kommt mit Innsbruck die erste größere Stadt (siehe Grafik).
Woran liegt das? Vielleicht daran, dass die Städte - neben Tirol Tourismuszentren - früher, stärker betroffen waren. Vielleicht, weil in Wien das Thema Corona auch den ganzen Sommer über virulent blieb. Am Land war die Pandemie einfach nicht so präsent.
Und überhaupt: Was soll so falsch daran sein, mit seinem Nachbarn ein kleines Bier zu trinken? Man steht doch eh in der Garage, draußen also. Soll man sich jetzt schon vor seinem Nachbarn fürchten? Den kennt man doch seit Kindheitstagen, und der war ja noch nie krank. Als gelernter Wiener habe ich auch vor Corona schnell die Wohnungstür zugemacht, wenn ich jemanden im Treppenhaus gehört habe.
Sicher - auch am Land gibt es Home Office, sitzen die Schüler jetzt zu Hause. Aber der Ausgleich zum harten Lockdown, zum sicher genauso mühsamen Arbeitsalltag, der funktioniert hier einfach anders.
Am Wochenende hat mein Vater das Laub des Nussbaums in unserem Garten zusammengerecht, er hat ein bisschen die Garage aufgeräumt, dazwischen sind er und meine Mutter spazieren gegangen. In den Wald. Genau so, wie sie das immer machen um diese Zeit des Jahres.
Nur dass mein Vater am Sonntag jetzt nicht mehr in die Messe gehen kann, hält er für einen persönlichen Affront. Das wiederum ist vielen Wienern wohl eher egal.
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