Leider geht es aber bei Stimmabgaben nicht immer um reine oder praktische Vernunft, deshalb bleibt das Rennen offen. Und man rätselt, wie es sein kann, dass so viele Menschen nach wie vor gewillt sind, jemanden zu wählen, der die absurdesten Theorien verbreitet, etwa dass Migranten die Hunde und Katzen der Amerikaner äßen; der Harris als Marxistin brandmarkt (wahrscheinlich glaubt er, dass Karl auch einer der Marx-Brothers war, viel Ahnung von Philosophie hat er jedenfalls nicht); der Frauen das Selbstbestimmungsrecht über ihren Körper abspricht; und der bei dieser Diskussion so absurd geschminkt war, dass man einen Zusammenhang zwischen der Netflix-Frauengefängnisserie „Orange Is the New Black“ und Politik sucht und nicht findet. Very weird.
Normal (ein Wort, das leider in Österreich bedeutungsmäßig in Schräglage geraten ist) gegen weird (also wirklich schräg) – dafür stand dieses Duell. Um Inhalte ging es kaum, aber das ist im Land der größten Showmen nicht verwunderlich. Gewählt wird nicht wegen programmatischer Substanz, sondern wegen der Glaubwürdigkeit, ein demokratisches System zu bewahren oder zu zertrümmern, je nach Wunsch.
Womit wir wohl oder übel auch beim österreichischen Wahlkampf wären. Auch hier geht es im Prinzip um Vernunft versus Weirdness; auch hier spielen Argumente eine untergeordnete Rolle; auch hier wird debattiert, wie viel vom System kaputt geschlagen werden solle; auch hier werden gezielt Menschen angesprochen, die sich als Opfer fühlen oder fühlen sollen – als Opfer der bösen Herrschenden, der neuen, künftigen oder abzuschiebenden Mitbewohner, als Opfer des Steuersystems, des Kapitals etc. Zumindest einen Vorteil hat die USA-Wahl gegenüber jener bei uns: Trump gegen Harris war dort vielleicht das einzige TV-Duell, bei uns müssten sie einander noch in 25 Konfrontationen bei 15 Privatsendern gegenüberstehen, und 250 Journalisten würden analysieren.
Doch die entscheidende Frage bleibt: Wer – egal in welcher Fraktion – macht in Österreich künftig die Kamala? Glaubwürdig im demokratischen System verankert, optimistisch in die Zukunft blickend, loyal gegenüber dem Vorgänger in der Partei und dennoch verkrustete Machtstrukturen aufbrechend? Noch ist sie schwer auszumachen.
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