Immer noch ist das Bild des schreienden, aber dafür wirklich genialen Intendanten oder Regisseurs schwer aus den Köpfen zu bringen, vor allem aus den Köpfen der schreienden Intendanten und Regisseure selbst. Die Enge der Branche, die steilen Abhängigkeiten, der Werkstoff Emotion machen die Kultur zu einer Ursuppe, in der Machtmissbrauch, Übergriffe und allerlei kleine und große Niedertracht prächtig gedeihen.
So weit, so bekannt. Nun steht eines der besten Theater des Landes im Fokus. Denn ja, Föttinger hat mit der Josefstadt den Konkurrenten in Wien oft den Rang abgelaufen. Wie weit dieser künstlerische Erfolg zu Lasten von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern errungen wurde, das soll der Aufsichtsrat des Theaters heute der Öffentlichkeit näher erklären. Am Abend gibt es übrigens wieder „Sonny Boys“.
Die Gegenbewegung zum Machtmissbrauch, die sich unter dem Motto #MeToo formiert hat, wühlt die Kultur seit Jahren auf. Zuletzt ist die Wucht etwas abgeebbt – denn echte Konsequenzen gab es für kaum jemanden der durch Vorwürfe Belasteten. Immer noch wird oftmals das Strafrecht als Bezugspunkt genannt – als ob das Zusammenleben, das Zusammenarbeiten erst dann schwer gestört ist, wenn die Chefs strafrechtlich Relevantes tun.
Diese brancheninterne Aufarbeitung ist wichtig – und wird von jenen, die der Kultur Böses wollen, missbräuchlich gegen sie verwendet. Das Triumphgeheul bei jedem Skandal kommt vor allem von jenen, die in der Kultur eh nur „woke Linke“ orten. Nein, im Rest der Wirtschaft ist die Situation um nichts besser. Trotzdem: Bei den Kulturleitern gibt es, ganz offensichtlich, Probleme (übrigens auch bei manchen Leiterinnen). Das sieht man ebenso bei anderen großen Häusern und Festspielen: Die Intendanten ziehen sich nach und nach in eine Festung des Beleidigtseins zurück und signalisieren permanent, welch schwere Bürde ihr Posten doch sei. Nach Innen aber herrschen zu viele absolut, mit zumindest grenzwertigen Methoden. Das ist auch ein Glaubwürdigkeitsschaden für die Kultur. Wie überall gilt: Wer nicht anders führen kann als mit Emotionsterror und Schreien, der sollte es lassen.
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