Zwei Jahre und neun Monate später ist die Situation eine ganz andere. Die plötzliche Ankündigung, dass mit Samstag der russische Energiekonzern Gazprom die Lieferungen einstellt, hat keinerlei Schock ausgelöst. Das Faktum wurde nüchtern kommentiert, der Bundeskanzler gab sofort Entwarnung. Das tat er ohne jegliche Anspannung, da die türkis-grüne Bundesregierung bezogen auf das Russen-Gas ihre Hausaufgaben erledigt hat – beide Parteien. Die Speicher sind so voll, dass mehr als ein Jahresverbrauch gedeckt ist. Gleichzeitig wird um einiges weniger Erdgas verbraucht als noch im Jahr 2022. Und drittens bewegt man sich seit damals auf mehreren neuen Märkten, um an Erdgas zu kommen. Alles in allem muss das auf der Haben-Seite geführt werden, wenn man die Bilanz über die vergangenen fünf Regierungsjahre erstellt.
Also alles gut? Nein, bei Weitem nicht. Da muss noch einiges getan werden, um langfristig von der Lieferung des Erdgases nicht mehr so stark abhängig zu sein. Dass in Neubauten keine Gasheizungen mehr eingebaut werden dürfen, war ein erster Schritt. Dass man künftig auch auf heimische Erneuerbare Gase setzt, das ist noch nicht geklärt. Dabei hatte ein diesbezügliches Gesetz, das EGG, bereits den Ministerrat passiert. Im Parlament fehlte dann aber die notwendige Mehrheit, weil die SPÖ überraschend die Zustimmung verweigerte. Womit die Betreiber von Biogas-Anlagen wieder einmal im Regen stehen gelassen worden sind. Vielleicht ändert sich das, wenn die Sozialdemokraten in Zukunft Teil einer Bundesregierung sind.
Die Energiefrage muss jedenfalls bei den Koalitionsverhandlungen eine entscheidende sein. Nicht nur wegen der Klimaziele, sondern weil es da speziell in der Industrie um den Standort Österreich geht. Es geht um klare Ziele, es geht um Kosten, es geht um den Wettbewerb mit dem Ausland. Da ist es zu wenig, Ziele als Überschriften in ein Regierungsprogramm zu schreiben. Der Weg muss vielmehr so detailliert aufgelistet werden, dass die Wirtschaft, aber auch die Menschen wissen, wohin er führt und wie er beschritten wird. Wenn der Gas-Stopp dafür ein Weckruf ist, dann haben uns die Russen einen Gefallen getan.
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