Nach dem ORF-Aus von Robert Kratky: Keine Macht dem Online-Hass

Wecker-Moderator Robert Kratky im Ö3-Studio.
Man muss weder Ö3 noch den ORF uneingeschränkt mögen, weder ein Fan des „Weckers“ noch freudiger Gebührenzahler sein, um von den Nebentönen von Robert Kratkys Abgang betroffen, wenn nicht gar verstört zu sein. Die in fröhlicher Oberflächlichkeit gestimmte Gute-Laune-Show ist vielleicht ein unerwarteter Kontext, um große Fragen der Gesellschaft zu erörtern.
Dennoch: Hier zieht sich ein Mensch aus der Öffentlichkeit zurück, thematisiert dabei seine mentale und körperliche Gesundheit. Und das Ganze steht klar im Kontext einer politisch im Wahljahr 2024 gewollten Debatte über öffentliche Spitzengehälter – und des daraus erblühten brutalen Online-Hasses.
Es wäre ein Moment, um zur Besinnung zu kommen. Darüber nämlich, wie dringend dem Online-Mob die Macht über die Debatten entrissen werden muss. Es steht jedoch, mal wieder, zu befürchten, dass auch diese Gelegenheit ohne den geringsten Lerneffekt verstreichen wird.
Ja, am ORF gibt es viel zu kritisieren und Kratkys Gehalt war immens hoch. In Zeiten rapide steigender Lebenshaltungskosten ist das ein hoch emotionales Thema. Man muss das debattieren und kann das kritisieren.
Dennoch muss man als Demokrat empört und erschrocken darüber sein, wie viele Menschen ihre Emotion auf derart eklatant unzivilisierte Art an einem Menschen abreagieren, wie das hier geschah. Und wie normalisiert das ist. Und wie sehr die Politik glaubt, diese Emotionen für eigene Zwecke nützen zu müssen. Denn das Bewirtschaften von Empörung ist das größte politische Erfolgsrezept unserer Zeit – auf allen Seiten. In den wichtigsten Ländern Europas, und Österreich, stehen jene, meist rechten Parteien in den Umfragen ganz vorne, die dieses Konzept perfektioniert haben. Was es dann heißt, wenn diese an die Macht kommen, sieht man in den USA und in Ungarn.
Die gemäßigten Parteien schauen hilflos zu, üben sich in wichtigen Fragen – Migration – in ungelenken Starke-Mann-Posen und verlieren sich sonst auf Nebenschauplätzen. Dabei wären besonnene, dabei unbedingt rasche und tiefgreifende Reformen in zentralen Bereichen der einzige Weg, wie die ausgleichende Demokratie in die Zukunft geführt werden könnte. Diese Dringlichkeit zu erkennen, dafür sind die Mitteparteien aber situationsblind. Man bearbeitet im Streit lieber Läppisches. Oder lenkt mit Scheindebatten ab, die letztlich nur den Populisten in die Hände spielen. Denn Kratkys Gehalt war nicht einmal die Ahnung eines Tröpfchens auf dem heißen Budget-Stein. Höchste Zeit, das auch politisch deutlich zu benennen – und endlich ins Reformhandeln zu kommen, bevor der kontextfreie, selbstgerechte Online-Hass endgültig das Maß der politischen Dinge geworden ist.
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