Wobei man wohl sagen kann, dass in den letzten fünf Jahren mehr von der grünen als von der türkisen Welt Wirklichkeit geworden ist – jedenfalls dann, wenn man das Größenverhältnis der Regierungsparteien (VP 71 Mandate/Grüne 26 Mandate) in Rechnung stellt. Aber gut: Auch in diesem Fall hat das Regieren jenes „Rendezvous mit der Realität“ gebracht, von dem der verstorbene CDU-Altmeister Wolfgang Schäuble gesprochen hat. Und es ist für die ÖVP ein durchaus schmerzliches Rendezvous.
Was aber kommt nach dem „Besten aus beiden Welten“ – nun, da Leonore Gewessler, wie der Bundeskanzler im KURIER-Interview festhielt, „das gemeinsame Band durchschnitten“ hat? Dem Vernehmen nach möchte Karl Nehammer ja Kanzler bleiben. Dafür wird er aber irgendein Band brauchen. Jenes zwischen ÖVP und FPÖ ist nicht bloß durchschnitten – es wurde von beiden Seiten in den letzten Jahren lustvoll und mit großer Geste regelrecht zerschnipselt. Zur SPÖ gibt es zwar in alter sozialpartnerschaftlicher Tradition und insbesondere auf Länderebene nach wie vor intakte Bande – aber auf Bundesebene? Zu einer Babler-SPÖ, die weit nach links gerückt ist (und gewiss einen idealen Koalitionspartner für die Grünen abgäbe, wobei freilich eine Mehrheit außer Reichweite ist)? Schwer vorstellbar – selbst oder gerade unter Beiziehung der Neos, deren ordnungspolitische Vorstellungen auch nach dem Abgang Gerald Loackers kaum kompatibel mit jenen des Traiskirchner Bürgermeisters sein dürften.
Wie man es dreht und wendet: Auf der inhaltlichen Ebene gibt es rechts der Mitte zweifellos die größten Schnittmengen zwischen ÖVP und FPÖ. Beide Seiten geben sich der Illusion hin, dass nach der Wahl beim jeweils anderen ein/e Neue/r an der Spitze stehen könnte. Aber die FPÖ wird auch nach dem 29. September die Kickl-FPÖ sein, und ebenso dürfte Nehammer bleiben (abgesehen davon, dass sich bezüglich Kickl/FPÖ alle maßgeblichen VP-Leute mehr oder weniger gleich positioniert haben). Gut möglich also, dass man sich Nehammer und Kickl nach der Wahl, frei nach Camus, als „glückliche Menschen“ vorstellen muss, die die Einzelteile des Bandes mühsam wieder zusammenstückeln.
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