Doch in den vergangenen Tagen ist Netanyahu auf totalen Konfrontationskurs gegangen – in doppelter Hinsicht: Da tourt US-Außenminister Antony Blinken unermüdlich durch den Nahen und Mittleren Osten, um irgendwie zu einer Feuerpause im Gazakrieg zu gelangen, bringt in der Vorwoche auch eine Gesprächsgrundlage dafür nach Jerusalem mit – und alles, was dem israelischen Regierungschef einfällt, ist ein kategorisches Njet. Eine Brüskierung des amerikanischen Chefdiplomaten, die ihresgleichen sucht. Doch damit nicht genug: Trotz aller Warnungen aus Washington und vielen andere Staatskanzleien lässt Netanyahu nun auch die südlichste Stadt im Gazastreifen, Rafah an der Grenze zu Ägypten, angreifen. Das ist schon ein starkes Stück. Denn zuerst forderte Israel alle Zivilisten auf, sich genau dorthin zu begeben, damit die Streitkräfte im Norden gegen die Terrormiliz Hamas vorgehen könne – und jetzt sitzen dort 1,3 Millionen Zivilisten in der Falle. Es gibt kein Vor und Zurück. Von sicheren Korridoren spricht Netanyahu, doch wohin?
Der Mann zeigt sich resistent gegen Rat und Druck. Dass er seinen ultra-rechten Koalitionspartnern mit einem überharten Kurs entgegenkommen muss, um sie bei der Stange zu halten, ist nur ein Teil der Erklärung. Der andere liegt in der Persönlichkeitsstruktur des Regierungschefs, der in einer Eliteeinheit der israelischen Streitkräfte diente: Im Kern lehnt er eine Aussöhnung mit den Palästinensern ab. Das war auch so, als der damalige israelische Premier Yitzhak Rabin mit PLO-Chef Jassir Arafat den Oslo-Friedensprozess in den Neunzigerjahren einleitete. Netanyahu machte damals Stimmung gegen die Annäherung. Als Rabin dann durch die Hand eines jüdischen Extremisten starb, machten viele in Israel „Bibi“ mitverantwortlich. Er habe für ein derart aufgeheiztes politisches Klima gesorgt.
Heute ist es nicht anders. Nach der durch nichts zu rechtfertigenden Attacke der Hamas vom 7. Oktober, der mindestens 1.200 Israeli zum Opfer fielen, schlägt nun Netanyahu mit aller Härte zurück. Und über die Stränge. Er weiß freilich, dass dies sein letztes Gefecht ist. Denn irgendwann wird auch dieser Krieg Geschichte sein, und dann ist es auch die Karriere des heute 74-Jährigen. Was bleibt, ist ein Trümmerhaufen – nicht nur in Gaza.
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