Halbwahrheiten und Schreckgespenster
So lange der Weg auch noch ist, bis Europa tatsächlich gemeinsam und konstruktiv mit Zuwanderung umgeht, so vernünftig ist zumindest die Richtung, die man jetzt einmal eingeschlagen hat. Mit den Halbwahrheiten und Schreckgespenstern, mit denen man auf beiden Seiten des politischen Spektrums seit Jahren hantiert, ist man jedenfalls einer Lösung nicht näher gekommen. Dichtmachen, wie es Rechte und Rechtspopulisten so gerne versprechen, lassen sich die Grenzen Europas und des gesamten Westens nicht. Migration ist und bleibt eine Tatsache, die unsere Marktwirtschaften seit Beginn des Industriezeitalters begleitet, die immer ein entscheidender Faktor für den Erfolg dieser Marktwirtschaften war. Je besser wir lernen, mit Migration und den Menschen, die zu uns bringt, umzugehen, desto mehr profitieren wir auch als Gesellschaft davon. Und nein, mit dieser Migration ist nicht der Starchirurg aus den USA, nicht der Informatiker aus Indien gemeint, dem wir so gerne ein Rot-Weiß-Rot-Karte in die Hand drücken würden, sondern jene, die sich gestern wie heute ganz unten in unsere Arbeitswelt einreihen - legal, aber auch illegal, wenn wir ihnen keine andere Möglichkeit geben.
Migration als rationale Entscheidung
Ein Großteil dieser Migration hat wirtschaftliche Gründe, wird angetrieben von rationalen ökonomischen Entscheidungen, die Menschen treffen - und zwar Menschen, die über die körperlichen Fähigkeiten und die finanziellen Mittel verfügen, diese Reise in ein neues Leben anzutreten, die sich der Gefahren, denen sie sich aussetzen, bewusst sind. Das Asylrecht, geschaffen unter dem Eindruck der Katastrophe des Zweiten Weltkriegs, ist dafür kein geeignetes Werkzeug. Wenn ich Menschen den Missbrauch dieses Asylrechts als einzige Möglichkeit gebe, um nach Europa zu gelangen, werden sie diese Möglichkeit nützen. Das Bild des hilflosen Flüchtlings, den wir hartherzig im Mittelmeer ertrinken lassen, ist genauso unscharf wie jenes des kriminellen Migranten, der seine Reise schon damit beginnt, sich die Sozialleistungen, die er uns aus der Tasche ziehen wird, auszurechnen.
Endlose Verfahren
Es braucht also strenge Kontrollen an Europas Außengrenzen, um jene, die tatsächlich vor Krieg, oder anderer Gewalt geflohen sind, von jenen zu unterscheiden, die sich auf den Weg gemacht haben, um ein besseres Leben zu finden. Statt der endlosen Asylverfahren, die noch weiterlaufen, wenn die Antragssteller längst in einem anderen Land sind, sind schnelle Prüfungen, wie sie das neue Asylpaket vorsieht, möglich und auch im Einklang mit den Menschenrechten machbar. Dass man die Menschen dafür an einem Ort festhalten muss, ist mit Hausverstand zu begreifen. Es ist der erste und unumgängliche Schritt, um in Europa die Kontrolle über Migration und Asyl wieder zu erlangen. Viel Applaus aber ist dafür fürs erste nicht zu erwarten Denn jene, die vom Chaos und den untauglichen Praktiken der letzten Jahre politisch profitiert haben, werden sich ihre Halbwahrheiten nicht wegnehmen lassen - und umso lauter schreien. Ob nach Mauern und Soldaten, oder nach offenen Grenzen für alle Notleidenden dieser Welt, ist da auch schon egal.
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