Herbert Kickl ist der Gejagte

Herbert Kickl ist der Gejagte
Erstmalig geht ein FPÖ-Chef als klarer Favorit in ein Wahlkampf-Finale. Das macht den 29. September zu einem historischen Tag.
Martin Gebhart

Martin Gebhart

Das Geplänkel um den Nationalen Sicherheitsrat wirkte vergangene Woche wie eine letzte Aufwärmrunde, ehe die Parteien diese Woche zum Wahlkampfsprint ansetzen. Ab sofort wird fast jeden Tag ein neues Thema auftauchen, ab sofort wird keine Rücksicht mehr genommen, aber sofort geht es nur noch darum, nach Stimmen von Unentschlossenen zu fischen. Deren gibt es diesmal viele.

Vor Wahlen sind wir so ein Szenario gewohnt. Dennoch ist es diesmal eine ganz neue Situation. Erstmals biegt ein FPÖ-Chef als haushoher Favorit in die Zielgerade. Seit Monaten führt Herbert Kickl die Sonntagsfragen an. Der blaue Parteichef ist zum Maßstab für diese Nationalratswahl geworden, die Ergebnisse aus dem Jahr 2019, als die ÖVP unter Sebastian Kurz bei rund 37 Prozent gelandet war, haben keine Bedeutung mehr. Es geht nur noch darum, wer am 29. September als Erster über die Ziellinie geht. Bei welcher Prozentzahl der Balken am Wahlabend stehen bleibt, ist zweitrangig.

In gewisser Weise genießt Herbert Kickl diese Ausgangslage. Er entscheidet für sich, welche TV-Duelle oder Interviews er annimmt und welche er ausschlägt. Er will sich nicht treiben lassen und fixiert mit seinem sehr kleinen Beraterteam, wo es einen Auftritt gibt und wo nicht. Das alles erweckt den Eindruck, dass er sich schon sehr sicher ist und für ihn eine Variante, die ihn nicht auf dem Thron sieht, gar nicht in Frage kommt.

Für ihn wäre es ja der totale Triumph. Heraus aus den Fußstapfen von Jörg Haider, indem er dessen FPÖ-Allzeithoch von 26,91 Prozent aus dem Jahr 1999 übertrifft. Für ihn wäre es auch eine Abrechnung mit all jenen – auch in seiner Partei –, die ihm das nicht zugetraut hatten, als er die Obmannschaft von Norbert Hofer übernommen hat. Und letztlich möchte er auch in die Genugtuung kommen, Bundespräsident Alexander Van der Bellen vor die schwierige Entscheidung zu stellen, ob er einem Wahlsieger tatsächlich den Regierungsauftrag verweigern kann.

Für Herbert Kickl steht allerdings auch sehr viel auf dem Spiel. Wird er noch von ÖVP-Kanzler Karl Nehammer oder gar von SPÖ-Chef Andreas Babler überholt, wäre das ein entscheidender Knick in seiner Laufbahn, der alles verändert. Selbst wenn er mit seiner Partei ein besseres Ergebnis als im Jahr 2019 abliefert. Ein Herbert Kickl als Zweiter ist eine Niederlage für die Blauen. Letztendlich könnten dann jene Kräfte in der FPÖ ans Ruder kommen, die jetzt schon im Hintergrund an Kompromissen arbeiten, um am Ende des Tages eine türkis-blaue Koalition ohne Herbert Kickl möglich zu machen.

Für die FPÖ ist ein Wahlkampf, bei dem man nicht bloß Jäger ist, jedenfalls etwas komplett Neues. Vor allem die Frage, wie (nicht-)staatsmännisch man da auftreten sollte.

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