Demokratie besteht aus Debatte und anschließender Entscheidung aufgrund der Debatte“. (Helmut Schmidt)
Wer die Debatten im Parlament in der vergangenen Woche verfolgt hat – und sei es vor dem Bildschirm – , der kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass kein Interesse an Diskurs besteht, an konstruktiver wie kontroversieller, inhaltlicher wie ideologischer Auseinandersetzung.
Der muss bei bloßem Hinhören feststellen, dass es fast ausschließlich um Verbalinjurien geht – wohl auch, um schnelle Schlagzeilen zu produzieren.
Dem fällt bei genauem Hinsehen auf, dass ein Großteil der Parlamentarier durch ostentatives Desinteresse am Geschehen auffällt. Als müsste man das so oft gepriesene Gut der repräsentativen Demokratie „aussitzen“. Die Volksvertreter, die vor und nach jeder Wahl beschwören, genau hinhören zu wollen, was Volkes Stimme zu sagen hat, schaffen es nicht, einander für wenige Stunden zuzuhören, und schaffen so ein Bild, das zu ihrem schlechten Image wie zur Politikverdrossenheit beiträgt. Es verstärkt – ja firnisst.
Das Niveau – nicht nur des Hohen Hauses – sinkt ab. Dabei gäbe die Gemengelage Anlass, jede sich bietende Gelegenheit zu nutzen, um zumindest zu versuchen, sein Möglichstes, wenn schon nicht Bestes zu geben.
Um die stets eingemahnte Zuversicht zu nähren. Um triftige Gründe zu liefern, die schlechte Stimmung wettzumachen. Das ist übrigens noch nie gelungen, indem man das Scheinwerferlicht von Dritten sucht.
Wie schnell Schlaglichter zu Schatten werden, die Spitzenpolitik vom Anbiederungsmodus auf Distanzierung schalten muss, wird dieser Tage beim Umgang mit Song Contest-Gewinner JJ offenbar.
Und es ist auch noch nie gelungen, für (Ver)Besserung zu sorgen, indem man sich mit gleich schlecht Gestellten vergleicht. Dass Österreich ob einer jährlichen Neuverschuldung von über 3 Prozent der Wirtschaftsleistung (Maastricht-Kriterien) ein EU-Defizitverfahren bekommen wird und sich damit in Gesellschaft von Frankreich oder Italien befindet, mindert unsere missliche Situation nicht. Wie seit dieser Woche bekannt, ist Österreich das einzige Land, dem die EU heuer einen Wirtschaftsrückgang prognostiziert.
Und was macht die Regierung? Sie will die tägliche Bewegungseinheit ausbauen, den Studentenausweis digitalisieren und US-Forscher nach Österreich bringen. Weniger geht kaum. „Zuversicht kommt durch Reformen“, sagte der renommierte Verhaltensökonom Ernst Fehr im KURIER-Interview am Samstag. Und: „Man darf nicht zu viele Reformen auf einmal anpacken. Eine Regierung hat nicht unendlich politisches Kapital.“ ÖVP, SPÖ und Neos packen derzeit zu wenig an – und laufen Gefahr, ihr Kapital aufs Spiel zu setzen.
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