Politik ist ein komplexes Geschäft. Eines aber hat sich als allzu verlässlich herausgestellt: Wer vor der Zukunft warnt und die Vergangenheit als einen Idealzustand verklärt, der verloren zu gehen droht, macht schnelle Empörungspunkte bei den Wählern. Was genau als bedroht dargestellt wird, ist egal. Es kann der Nikolo im Kindergarten ebenso sein wie die Kaufkraft der Arbeiter, das Schnitzel und das Skifahren ebenso wie die Frauenrechte und das Klima: Die Politik ist süchtig nach dem schnellen Kick, den die Abwehrdebatten gegen jedwede Veränderung bringen.
Und sie kommuniziert daher über alle politischen Lager hinweg alle Veränderungen als gefährlich. Das Problem daran ist, dass uns gerade die Welt in vielerlei Hinsicht um die Ohren fliegt – und man dem nicht mit den politischen Ideen aus der Mottenkiste Herr werden wird, sondern gemeinsame Visionen bräuchte. Man kann nicht im Rückwärtsgang in eine Zukunft fahren, die ganz anders sein wird als die Vergangenheit. Ob man das nun will oder nicht.
Dieser Realität muss man sich jetzt stellen, wenn man sie beeinflussen will. Die Koalitionsverhandler aber diskutieren weiter mit Inbrunst, ob es „neue Steuern“ braucht oder nicht. Eine absurde Themenverfehlung. Denn es steht nichts anderes als ein völliger Umbau des Steuersystems an, da die Einnahmen aus der Mineralölsteuer und, wegen der Automatisierung, aus den Lohnnebenkosten radikal zurückgehen werden. Man überbietet einander in kleinteiligem Stückwerk bei der Migration – die aber die grundlegendste Debatte überhaupt bräuchte, da sich an ihr die Zukunft der Demokratie entscheidet. Man tut auch so, als wäre der entscheidende Kampf immer noch der der armen Arbeiter gegen die bösen Reichen, während man längst bedingungslos kooperieren müsste, will man nicht gemeinsam untergehen.
Ja, Lösungen sind schwierig. Viel leichter ist es, jene Zukunftsabwehrdebatten zu führen, die die nützlichen Idioten der zwangsprogressiven Linken liefern. So wird in Deutschland mit Zorn gestritten, ob in der Tagesschau weiter „Damen und Herren“ angesprochen werden sollen, während die Autobranche Chinas dem Land die wirtschaftliche Lebensader abschnürt. Derart aber führt kein Weg in die Zukunft. Ein Staat braucht konstruktive Konservative und verantwortungsbewusste Progressive. Beide müssen mit Optimismus und Verve die Zukunft gestalten. Andernfalls überlässt man das Feld den Populisten, die von der Zukunft am allerwenigsten Ahnung haben.
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