Die dahinterstehende tiefere Bedeutung liegt in dem, was Schönborn selbst kürzlich in einem Interview mit kirchlichen Medien so formuliert hat: „Ich glaube, Europa ist eindeutig im Abschwung. Wirtschaftlich, demographisch, kulturell und auch religiös.“ Er fügt zwar hinzu, dass er Glaube und Christentum nicht als „vorbei“ ansieht – aber der Befund ist doch ein harter, wenngleich sehr plausibler.
Was bedeutet das für den Nachfolger auf dem Wiener Bischofssitz? Man ist geneigt zu sagen: So wie das Amt des Papstes als Garant und Symbol der Einheit in einer gleichermaßen global-uniformen wie unübersehbar fragmentierten Gesellschaft eigentlich ein unmögliches ist, so gilt das auch für jeden Bischof. Auch innerhalb des überschaubaren Raumes einer Diözese ist angesichts der unzähligen Bruchlinien und unterschiedlichen Zugehörigkeiten so etwas wie Gemeinsamkeit immer schwerer auszumachen. Auch und gerade innerkirchlich übrigens – wobei man hier im Unterschied zur Politik zumindest aus gläubiger Perspektive auf den Heiligen Geist als eine im Letzten einheitsstiftende Kraft setzen kann.
Schönborn hat sein Amt in aus kirchlicher Sicht denkbar schwierigen Zeiten angetreten – die Probleme sind heute andere, aber nicht minder gravierend. Damals ging es um erste schwere Erschütterungen durch das skándalon des Missbrauchs, dessen verheerende Dimension später erst zutage treten sollte. Heute aber stehen Glaube und Kirche selbst zur Disposition (vgl. Lk 18,8: „Wird jedoch der Menschensohn, wenn er kommt, auf der Erde noch Glauben vorfinden?“).
Was der neue Wiener Erzbischof keinesfalls tun sollte: die katholischen Aktivisten (m/w/d/*), welche sich zur selbsternannten Zivilgesellschaft zählen, für die breite katholische Basis halten. Es gibt eine Kirche jenseits des Funktionärskatholizismus – das seinerzeit von Papst Benedikt XVI. dazu gegebene Stichwort lautet „Entweltlichung“.
Was er jedenfalls tun muss: das Evangelium verkünden, gelegen oder ungelegen, wie weiland Paulus in Athen. Als der zum Kern der Sache kam, „spotteten die einen, andere aber sagten: Darüber wollen wir dich ein andermal hören“, heißt es in der Apostelgeschichte.
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