Orbán-Besuch in Wien als Inszenierung
Letztendlich wird es den Blauen gleichgültig sein, ob die Erklärung in einer Schublade oder in einem Archiv verstaubt. Sie haben mit dem Orbán-Besuch das erreicht, was sie wollten. Eine Inszenierung mit staatsmännisch wirkenden Bildern. Ein roter Teppich für den ungarischen Gast, ein Setting im Parlament, das Assoziationen mit Staatsbesuchen weckt, und am Ende noch die besagte gemeinsame Erklärung. Dazu noch verdeckte Sticheleien wie das Weglassen der EU-Fahne oder die Abkehr von der Usance, dass bei Staatsgästen im Parlament eigentlich alle Fraktionen eingeladen werden.
So saßen nur Herbert Kickl und seine engsten Vertrauten mit der hochrangigen ungarischen Delegation am Tisch. Nationalratspräsident Walter Rosenkranz hat die Auftritte kraft seiner neuen Funktion möglich gemacht, war aber nur Nebendarsteller. Herbert Kickl war in erster Linie die staatsmännische Inszenierung seiner Person wichtig. Wenige Tage nach der Entscheidung des Bundespräsidenten, ihn nicht mit einer Regierungsbildung zu beauftragen. Das zeigte sein zufriedenes Lächeln beim Handschlag mit dem ungarischen Staatsoberhaupt.
Fast hatte man den Eindruck, dass die FPÖ hier die nächste Parallelwelt schaffen will. Nach den eigenen Kanälen in sozialen Netzwerken, nach der eigenen blauen Medienwelt. Das Motto: Wir können Staatsmann, man lässt uns nur nicht. Mit dem Vorteil, dass man in einer Parallelwelt letztlich nichts beweisen muss. Der Schlüssel zu den Auftritten ist Walter Rosenkranz und dessen neue Rolle im Hohen Haus.
Auf der anderen Seite müssen ÖVP und SPÖ ab Dienstag darüber verhandeln, wie eine Bundesregierung für die reale Welt geschaffen werden kann. Beide Parteien – und wohl auch noch ein dritter Koalitionspartner – wissen, dass dafür die Rahmenbedingungen viel härter geworden sind, dass die Zeit des Geldverteilens vorbei ist.
Da braucht es nicht nur eine neue Art des transparenteren Regierens, sondern auch neue Wege der Inszenierung, um gegen die Parallelwelt der Freiheitlichen zu bestehen. Bloße Empörung wirkt schon lange nicht mehr.
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