Das Drama hat ein Ende: Julian Assange, Gründer der Enthüllungsplattform WikiLeaks und von den USA wegen Verrats, Verschwörung und Verstoßes gegen das Spionagegesetz gejagt, ist frei. Der Deal, den die Amerikaner mit ihm schlossen: Er gesteht in einem Punkt, dafür erhält er ein paar Jahre Haft, die er in London schon abgesessen hat.
Das ist gut so. 14 Jahre sind seit den ersten Enthüllungen der Assange-Plattform vergangen. 14 Jahre, in denen der weißblonde Australier von der Justiz verfolgt wurde, der schwedischen zunächst (wegen angeblicher Vergewaltigung), der amerikanischen sowieso. In denen er Jahre im Schutz der ecuadorianischen Botschaft verbrachte und Jahre im Gefängnis – zermürbt vom ständigen Tauziehen um seine Auslieferung in die USA samt einer drohenden Haftstrafe von 175 Jahren. Das steht in keiner Relation zum Anlass und dem Delikt.
Steht es wirklich nicht?
Es darf schon daran erinnert werden, dass der politische Aktivist und Journalist mit seiner Plattform seit 2010 mehr als 700.000 geheime Dokumente veröffentlicht hat. Einige sollen Kriegsverbrechen im Irak belegen. Eine Mehrheit enthielt diplomatische Korrespondenzen und politische Analysen/Einschätzungen/Pläne, nebst ein paar Peinlichkeiten aus dem Politiker-Small talk. Mit der Veröffentlichung von Hillary Clintons Mails (vermutlich besorgt durch den russischen GRU) griff Assange auch in den US-Wahlkampf 2016 ein.
Das führt zur Frage: Darf man das Gesetz verletzen, um eine angebliche Gesetzesverletzung zu enthüllen? Wer ist die Instanz, die dazu ermächtigt, Kollateralschaden wie Quellengefährdung und weltpolitische Beben inklusive – jeder selbst? Hat ein Verbrechen gegen ein mutmaßliches Verbrechen irgend etwas mit Pressefreiheit zu tun?
Wer diese drei Fragen mit „Ja“ beantwort, öffnet Tür und Tor einem Desperado-Unwesen, einer Justiz von eigenen Gnaden, einem Verrat nach Gutdünken – und letztlich rechtsfreier Anarchie, im Namen des Guten, versteht sich ...
Apropos: Die Anhänger Assanges, die seit eineinhalb Jahrzehnten für ihre Ikone kämpfen und seine Freilassung fordern, haben sich diese Fragen nie gestellt. Sie haben in Assange eine Leitfigur gefunden, mit der gegen die USA, Großbritannien, den Westen, das Böse gekämpft werden kann – ein früher „Palästinenser“, sozusagen: Auch die weltumspannenden Demos gegen Israel, der Ruf nach einem Palästinenserstaat sind vielfach bloß Transport für eine holzschnittartige Ideologie.
Die WikiLeaks-Verfechter jubeln nach Freilassung ihres 52-jährigen Helden über den Erfolg ihrer Kampagne. Das ist er auch. Vor allem aber ist die Freilassung das Ergebnis einer Nachsicht mit Augenmaß. Jawohl, endlich und Gott sei Dank. Aber nicht, weil Julian Assange im Recht gewesen wäre.
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