Kammerflimmern
Die Spekulationen über das politische Ende von Harald Mahrer waren naheliegend, letztlich aber doch verfrüht. Nach dem Desaster rund um die geplante Gehaltserhöhung für Kammer-Mitarbeiter und der ungewohnt offenen Kritik aus den eigenen Reihen konnte sich der Wirtschaftskammer-Präsident bei einer Krisensitzung am Sonntag doch noch die Unterstützung sämtlicher Landespräsidenten sichern. Tags darauf gestand er einmal mehr Fehler ein, versprach Reformen im Kammer-Besoldungssystem und kündigte seinen Rückzug von der Spitze der Nationalbank (OeNB) an.
Ist damit die Affäre, die jetzt schon eine Woche lang alle anderen innenpolitischen Themen überlagert, für Mahrer ausgestanden? Mitnichten. Werfen doch seine Ankündigungen erst recht wieder neue Fragen auf.
Begonnen mit seinem geplanten Abtritt als OeNB-Präsident. Mahrer begründet diesen Schritt damit, dass er seinen Fokus künftig ganz auf seine Aufgaben in der Kammer lenken wolle. Eine Aussage, die impliziert, dass er es offenbar bis zuletzt als ausreichend empfunden hat, die Kammer gleichsam als Teilzeitkraft zu führen. Und das ausgerechnet in einer der schwersten Wirtschaftskrisen der vergangenen Jahrzehnte. So gesehen hätte sich Mahrer schon längst von der OeNB-Funktion verabschieden müssen.
Womit wir bei der von ihm nun gebetsmühlenartig beschworenen Fehlerkultur wären: War es tatsächlich lediglich ein Fehler, also gleichsam ein Versehen oder eine Panne, dass man zunächst glaubte, die Öffentlichkeit werde es kommentarlos zur Kenntnis nehmen, wenn die Kammer als oberste Verfechterin einer „Lohnzurückhaltung“ die eigenen Gehälter über der Inflationsrate erhöht? Ist hier nicht vielmehr völlig das Gespür für die Stimmung in der Bevölkerung, aber auch in der Wirtschaft verloren gegangen?
Und wie kann es sein, dass sich dann ausgerechnet eine Institution, die sich Presse- und Medienstäbe in der Stärke ganzer Redaktionen leistet, bei der Kommunikation der vorläufigen Rücknahme der Gehaltserhöhung derart verstolpert?
Mit all diesen Fragen wird sich Mahrer auch nach seinem Versuch eines Befreiungsschlags herumschlagen müssen. Der einst so mächtige Multifunktionär wird künftig ein massiv geschwächter Kammerpräsident sein. Und das in – siehe oben – mehr als herausfordernden Zeiten.
Dass ÖVP und SPÖ mehr als verhalten auf die Gehaltsaffäre reagieren, wird nicht verhindern können, dass der Konflikt auch auf die Regierung abfärbt. Letztlich profitieren werden nur die, die die altbewährte Sozialpartnerschaft ohnehin seit jeher sturmreif schießen wollen. Allen voran die FPÖ und Herbert Kickl. Zumindest hier hat Harald Mahrer in seiner Analyse recht.
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