Blau-türkiser Krach und das Gift des wechselseitigen Misstrauens

Blau-türkiser Krach und das Gift des wechselseitigen Misstrauens
Unter den Parteien herrscht zu viel negative Emotion. Mitschuld daran ist das Anpatzen des politischen Gegners mithilfe der Justiz.
Martina Salomon

Martina Salomon

Wie soll sich das ausgehen – selbst wenn es mit Ach und Krach was wird mit der blau-türkisen Koalition? Es fehlen fundamentale Voraussetzungen: gegenseitiges Vertrauen, ein Quäntchen Sympathie, eine „Erzählung“, und da reden wir noch gar nicht von „Leuchtturmprojekten“.

Bevor allerdings die Vergangenheit verklärt wird, sollte man sich an Sätze wie jenen des ehemaligen SPÖ-Finanzministers Rudolf Edlinger am Ende der Großen Koalition erinnern: „Eher lasse ich meinen Hund auf meine Wurst aufpassen als die ÖVP auf das Geld der Steuerzahler.“ (Was heute richtiger ist, als es damals war.)

In dem Vierteljahrhundert, das seither vergangen ist, wurde das Niedermachen von Politikern mit immer aggressiveren Mitteln zur „neuen Normalität“. So unterstellte ein Journalist dem damaligen Kanzler Wolfgang Schüssel 2006 im Wahlkampf eine illegal beschäftigte Pflegerin seiner Schwiegermutter. Der Schmutz dieser Verleumdung klebte lange an Schüssel. Er verlor die Wahl, die Verurteilung der falschen Pflegerin erfolgte erst viel später.

Danach wurde es noch wilder. Heinz-Christian Strache ließ sich auf Ibiza (vor seiner Vizekanzlerschaft) illuminiert in eine Video-Falle locken, Türkis-Blau war nach der Publikation Geschichte. Strafrechtliche Relevanz hatte das schlechte Video keine, aber eine Regierung wurde gestürzt. Das Kriminalisieren der Politik mittels U-Ausschüssen und Korruptionsstaatsanwaltschaft blühte danach erst richtig auf. Sebastian Kurz wurde so „erledigt“. Und bis dato honorige Menschen, die den Nachteil der ÖVP-Nähe hatten, wurden auf Jahre hinaus „neutralisiert“, ohne dass etwas Nennenswertes herauskam: Das betraf Bettina Glatz-Kremsner, Wolfgang Brandstetter, Hartwig Löger, Josef Pröll und Christian Pilnacek, der daran zerbrach. Die toxische Atmosphäre der Ausschüsse wirkt bis heute nach, man traut einander nicht mehr über den Weg.

Nicht genug damit, sind dank Social Media Fakten und Fake völlig durcheinandergeraten, der Grundton gegenüber der Politik ist aggressiv. Profitiert hat davon die FPÖ, die eigentlich selbst Gejagte war und ist. Weil sie sich von den klassischen Medien ausgegrenzt fühlte, beherrscht sie die Klaviatur der „alternativen“ Kanäle nun besser als alle anderen. Tausend Wissenschafter (inklusive einiger Fantasie-Namen) mögen einen aufgeregten Protest-Brief gegen die FPÖ schreiben, doch die Blauen können per Mouseklick weit mehr Anhänger hyperventilieren lassen.

In einer Regierung zählen aber andere Eigenschaften: Rationalität statt Emotion. Sachverstand statt Polemik für den Boulevard. Kompromiss statt Kopf durch die Wand. Ja, es gibt eine klare „Mitte-Rechts“-Mehrheit im Land, aber sie ist durchtränkt vom Gift des wechselseitigen Misstrauens. Sollte so eine Koalition denn zustande kommen, hat sie schon vor dem Start ihren Vertrauensvorschuss verspielt.

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