Gegen Fachkräftemangel, Jugendarbeitslosigkeit und Langzeitarbeitslosigkeit gibt es laut AMS-Chef Johannes Kopf (siehe Artikel auf Seite 9) eine zentrale Maßnahme: die Lehre. In vielen Ländern wird Österreich für diese arbeitsmarktnahe Ausbildung beneidet, im eigenen Land hat sie nach wie vor ein Imageproblem; besonders stark ausgeprägt in Wien, wo sich nicht einmal mehr ein Drittel der Jugendlichen für diese betriebliche Ausbildung entscheidet.
Dass es auch anders gehen könnte, zeigt ein Blick in die Schweiz. Beim Nachbarn entscheiden sich mehr als 60 Prozent aller 15-Jährigen für eine Lehre, die Jugendarbeitslosigkeit ist halb so hoch wie in Österreich und die geringste von Europa. Viele Fachkräfte verdienen besser als Akademiker. Die berufliche Ausbildung gilt laut Studien als zentrale Säule des hohen Wohlstands im Land. Wie macht das bloß die Schweiz? Vor allem folgende Punkte fallen auf – und sollten Österreich als Vorbild dienen:
Weniger Alternativen: Jugendliche müssen sich im Wesentlichen zwischen Allgemein- und Berufsbildung entscheiden, haben weniger Auswahl als in Österreich. Berufsbildende mittlere und höhere Schulen (HTL, HAK, Fachschulen etc.) spielen hier fast keine Rolle.
Mehr Durchlässigkeit: Das Schweizer Bildungssystem ist durchlässiger als in Österreich, was die Höherqualifizierung erleichtert. Die Berufsausbildung ist mehrstufig aufgebaut und folgt klar vorgezeichneten Karrierewegen. Die höhere Fachprüfung qualifiziert ebenso wie die Meisterprüfung für Leitungspositionen oder zum selbstständigen Führen eines Geschäfts und schließt mit einem Diplom ab.
Lehre light: Es gibt mehr als 50 Berufe, darunter jener der Pflegeassistenz, für die es eine verkürzte Ausbildung gibt. Gedacht ist diese niederschwellige Ausbildung für lernschwache Jugendliche, Migranten mit schlechten Deutschkenntnissen oder Erwachsene, die einen Berufswechsel anstreben. Das Eidgenössischen Berufsattest (EBA) ist ein anerkannter Abschluss, der eine Weiterqualifizierung ermöglicht.
Kostenteilung: Durch enge Vernetzung mit Schulungseinrichtungen tragen in der Schweiz die Betriebe nur etwa 43 Prozent der Ausbildungskosten, in Österreich sind es drei Viertel. Ein Spezifikum der Schweiz sind die Ausbildungsfonds. Unternehmen, die sich nicht an den Kosten der Berufsbildung beteiligen wollen oder können, müssen Solidaritätsbeiträge bezahlen. In Österreich gibt es das in Ansätzen in Vorarlberg.
Dem Ländle ist es auch zu verdanken, dass die Pflegelehre importiert wurde. Trotz anfänglicher Skepsis durchaus erfolgreich. Rund 100 Pflegelehrlinge gibt es seit der Einführung im Vorjahr bereits, 25 davon in Vorarlberg. Es braucht noch viel mehr solcher Innovationen in der Lehre!
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