Wer das Durcheinander aus Maulheldentum, Kraftmeierei, Versagensängsten und sprunghaften Gedanken verfolgt hat, das in diesen Tagen von Europas angeblichen Entscheidungsträgern dargeboten wird, fühlt sich ständig an die eigene Pubertät oder die der Kinder erinnert. Der Erziehungsberechtigte auf der anderen Seite des Atlantiks, von dem man zumindest glaubte, sich in Notfällen auf ihn verlassen zu können, entpuppt sich auf einmal als egoistischer Rüpel, der selbst nicht mehr so recht zu wissen scheint, wo er mit sich hin soll. Draußen auf der Straße geben ein skrupelloser Gewalttäter und ein mit allen Wassern gewaschener Geschäftemacher, bei dem man ständig aufpassen muss, nicht über den Tisch gezogen zu werden, den Ton an. Und gegenüber denen soll man sich jetzt auf einmal bewähren!
Wie jeder Heranwachsende neigt also Europa derzeit zu sprunghaften Aktivitäten. Da schwingt sich Frankreichs Präsident zum Heerführer und Friedensbringer zugleich auf, muss aber feststellen, dass Gipfeltreffen, die man nicht vorbereitet, außer verbranntem Flugbenzin nichts bringen. Polens Regierungschef will – Recht hin oder her – russisches Geld einfach einkassieren und für die Ukraine ausgeben. Deutschland ist vor allem mit Selbstzweifeln und Nabelschau beschäftigt. Viktor Orbán, der immer schon meinte, dass man am wichtigsten ist, wenn man grundsätzlich dagegen ist, versucht unterdessen, andere anzustiften.
Wann und wie Europa aus dieser Pubertät herausfindet, ist – wie bei allen Heranwachsenden – schwer abzusehen. Man kann sich nur darauf verlassen, dass in diesem Kontinent auch heute genügend Fähigkeiten, Ideen und Ehrgeiz stecken, um selbst in einer zunehmend brutalen Welt seinen Platz zu finden. Das Selbstbewusstsein, an dem es in dieser Lebensphase oft mangelt, kommt auch früher oder später. Bei den großen Reden, die diese Halbwüchsigen ständig schwingen, muss man erfahrungsgemäß weghören und hoffen, dass sie sich zuletzt doch einmal an die Hausübungen machen. Klar ist nur: Ein Zurück in die Kindheit – mit einem unerschütterlichen Exportweltmeister Deutschland unter einem US-Atomschirm – wird es nicht geben. Aber das ist wahrscheinlich auch gut so. Die Welt braucht ein erwachsenes Europa.
Kommentare