Fußball also statt Politik. Wobei das nicht zwingend ein Gegensatzpaar ist. Es gibt Untersuchungen, wonach sich Erfolge im Sport direkt auf den Zustand eines Landes auswirken, sogar ökonomisch, emotional sowieso. Wer weiß, vielleicht hängt es indirekt sogar von den Tricksereien eines Arnautovic ab, wer im Herbst bei der Nationalratswahl Erster wird. In einem rundum glücklichen Land (eigentlich hätte Österreich durchaus Gründe, sich als solches zu fühlen) gibt es bestimmt weniger Protestwähler. Dafür ist Fußball möglicherweise ein Turbo für eine Bierpartei, in anderer Hinsicht.
Anachronistisch ist die Inszenierung eines Spieles jedenfalls, streng genommen sogar ein heikles Erbe des Nationalen. Alle reden von grenzübergreifenden Regionen, von Kultur- und Wirtschaftsräumen. Im Fußball jedoch verläuft alles streng entlang der Staatsgrenzen. Ein ganzes Stadion singt bei Hymen mit, zum Beispiel der italienischen oder der französischen, die Heldentum in der Schlacht, Blut und Todesmut als hehrste Tugenden würdigen. Und nach dem Ankick werden auch jene Spieler angefeuert, die ihr Geld in anderen Ländern verdienen, teils dort geboren sind und beim Zu-Ende-Denken von Remigration gar nicht für dieses Land kicken dürften. Fußball ist also auch Vorbild: für ein Bekenntnis zu Leistung und Qualität und teils für gelungene Integration. Der Sport als Beispiel für gelebte Leitkultur.
Anhand von Fußball kann man auch ablesen, wie sich die politische Lage generell verändert hat. 2006 gab es bei der WM in Deutschland das „Sommermärchen“, ein Beliebtheitsboost für unsere Nachbarn. 18 Jahre später steckt ganz Europa in der Krise, und irgendwie ist jeder gegen jeden. Dafür wird besser gekickt als je zuvor.
Der Autor dieser Zeilen freut sich jedenfalls geradezu kindlich auf die EM, auf spannende Partien, auf sportliche statt innenpolitische Debatten, Gelbe und Rote Karten im Falle von Fouls. Und er traut der österreichischen Mannschaft Einiges zu. Weil die meisten Spieler im besten Sinne für Europa stehen und durch ihre Erfahrung jenseits der Grenzen der Regionalliga entwachsen sind. Und weil sich auch der Trainer nicht mit Mittelmaß zufrieden gibt. Ab heute gilt’s der Ballkunst. Viel Vergnügen!
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