Man muss jedoch die EU aus großen, geopolitischen Zusammenhängen auf jeden Fall schätzen: Friedensprojekt und gemeinsamer Wirtschaftsraum sind nach wie vor zentrale Grundfeste. Dass nun gerade bei der Wahl des Europa-Parlaments jene Parteien stärker werden dürften, welche die EU aushöhlen, wenn nicht sogar zerstören wollen, zeigt die Absurdität aktueller Politik und den grassierenden Egoismus innerhalb der Mitgliedstaaten, also in der Gesellschaft. Wir sollten Gemeinsames wählen und entscheiden uns für das Trennende. Wir sind diesbezüglich nicht reif für die EU. Wir opfern deren Werte auf dem Altar von Populismus.
Dabei ist die EU so wichtig wie seit ihrer Gründung und seit der Osterweiterung nicht mehr. In den USA steht eine Wahl mit zwei abenteuerlichen Kandidaten bevor (ein gebrechlicher, erratischer sowie ein strafrechtlich verurteilter), bei der man sich nur fragen kann: Hat dieses so talentierte, einst so mächtige Land wirklich nichts Besseres zu bieten?
In Russland (und mit seinen Streitkräften darüber hinaus) wütet ein Aggressor, der die EU bedroht. Vorerst noch verbal, möglicherweise bald real, falls ein Präsident Trump den aus seiner Sicht zahlungssäumigen NATO-Ländern Unterstützung verweigert und Putin einen Freibrief erteilt.
In China ist eine Weltmacht wiederauferstanden – mit undemokratischen Mitteln. Und der Nahe Osten ist ein noch größeres Pulverfass, als er es immer war.
Jetzt bräuchte es ein starkes Europa: militärisch, wirtschaftlich, aber auch intellektuell. Die EU ist die Vereinigung von Kulturnationen, ihr Platz jener der Demokratie, der Konstruktivität, der Kompetenz. Europa ist nicht das Problem, wie oft suggeriert, sondern wäre die Lösung. Leider schaut es, ausgehöhlt vom Nationalismus der Mitgliedsländer, nur zu, wie andere vorbeiziehen.
Die EU verschläft die geopolitische Neuordnung, dazu essenzielle technologische und ökologische Entwicklungen. Und auch eine zukunftsorientierte Migration: Europa, aus dem Mittelmeerraum geboren und immer eine Vielvölkerregion, braucht dringend qualifizierte Zuwanderer, die an diese Idee glauben. Aber wenn es so weitergeht, will ohnehin bald niemand mehr nach Europa.
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